Rodel-WM in Oberhof: Der Vorsprung auf die Konkurrenz wird kleiner
Zu Beginn dieser Saison sah es so aus, als würde das deutsche Rodeln in eine tiefe Krise stürzen. Beim ersten Weltcup in Innsbruck dominierten die österreichischen Athletinnen und Athleten auf ihrer Heimbahn, die deutschen Schlitten fuhren hinterher. Das hatte offenbar entscheidend mit Georg Hackl zu tun. Der dreifache Olympiasieger, der in den vergangenen Jahren als Trainer die deutschen Schlitten entwickelte, war vor der Saison zum österreichischen Verband gewechselt.
Bundestrainer Norbert Loch zeigte sich überrascht, wie viele Fehler sich seine Sportlerinnen und Sportler Anfang Dezember erlaubt hatten, zweifelte aber nicht grundsätzlich daran, dass die Formkurve wieder ansteigt und die deutschen Schlitten Fahrt aufnehmen in Richtung Saisonhöhepunkt. An diesem Freitag nun starten bei der Heim-WM in Oberhof die ersten Wettläufe. Zum ersten Mal gehört der Doppelsitzer-Wettbewerb der Frauen zum Programm.
„Rodeln ist eine Mischung aus der richtigen Abstimmung, dem Material und dem Fahrgefühl der Athleten“, sagt Loch, „und in allen diesen Bereichen sind wir gut aufgestellt.“ Bis auf die Ausrutscher zum Saisonstart überzeugten die Seriensieger der vergangenen Jahre mit zahlreichen Topplatzierungen. Bei den letzten Rennen in Sigulda, die zugleich als Europameisterschaft galten, triumphierten Anna Berreiter, Max Langenhan und der Männer-Doppelsitzer Tobias Wendl/Tobias Arlt in ihren jeweiligen Disziplinen.
Die Dominanz früherer Jahre ist weg
Dennoch hat es den Anschein, dass die Dominanz früherer Jahre abhandengekommen ist. „Vor fünf bis acht Jahren haben wir die Konkurrenz in allen Disziplinen geschlagen“, sagt Loch. Nicht selten belegten die deutschen Rodlerinnen und Rodler gleich mehrere Plätze auf dem Podium. Doch gerade Länder wie Österreich oder Italien haben aufgeholt und setzen das deutsche Team unter Druck, das in dieser Saison auch noch auf Natalie Geisenberger verzichten muss. Vor wenigen Tagen ist sie zum zweiten Mal Mutter geworden.
Den Wechsel des langjährigen Weggefährten Georg Hackl nimmt der Bundestrainer sportlich. „Er ist nicht mehr da, fertig, aus. Ich sehe da keinen Nachteil.“ An fähigen Technikern und Trainern hat es dem deutschen Team ohnehin noch nie gefehlt.
Er ist nicht mehr da, fertig, aus. Ich sehe da keinen Nachteil.
Bundestrainer Norbert Loch über den Verbandswechsel von Georg Hackl.
Problematisch ist vielmehr, dass zahlreiche Nationen deutsche Rodel-Fachkräfte anlocken, womit auch jede Menge Know-how exportiert wird. Was für Loch auch viel damit zu tun hat, dass Trainerinnen und Trainer nicht die Wertschätzung erfahren, die dieser anspruchsvolle Job verdiene. „Im Rodeln bist du zwischen Oktober und März ständig unterwegs und siehst deine Familie kaum“, erzählt Loch. „Dafür braucht es neben einer entsprechenden Leidenschaft auch eine angemessene Bezahlung.“
Damit meint der 60-Jährige bei Weitem nicht nur die Trainerinnen und Trainer, die auf höchster Ebene mit der Nationalmannschaft arbeiten. „Es geht ja ganz entscheidend darum, Kinder für den Sport zu motivieren“, sagt Loch. „Denn der Nachwuchs bricht uns irgendwann weg.“
Die Bahn am Königssee ist weiterhin eine Baustelle
Das ist auch ein Grund, weshalb die gesamte Branche die Kunsteisbahn am Königssee so schmerzlich vermisst, die bei einem Unwetter 2021 zerstört wurde. Frühestens 2025 können wieder Schlitten durch die Eisrinne sausen. „Wir müssen geduldig sein, weil die politischen Mühlen langsam arbeiten“, sagt Loch, „aber diese Baustelle tut uns sehr weh.“
Die Schlittensport-Infrastruktur ist einzigartig. Mit den Bahnen am Königssee, in Winterberg, in Altenberg und in Oberhof stehen in Deutschland gleich vier dieser Anlagen – mit unterschiedlichen Charakteristika. „Wir versuchen das sowohl bei den Kindern als auch bei den Topleuten so gut es eben geht zu kompensieren.“
Die kommenden Tage werden zeigen, inwieweit das deutsche Team in dieser gerade auch bei Olympia so erfolgreichen Sportart noch den Ton angibt.
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