Genrekino auf Abwegen
Diese Nacht ist nicht ganz bei Sinnen. Rastlos und doch wie unter Hypnose, still und geräuschvoll zugleich. Ein Konzert mit Gezirpe, Geglucker, Geraschel, in der Ferne das Signal eines Zuges. Überhaupt scheint die Dingwelt ein seltsames Eigenleben zu führen. Ein Rasensprenger setzt sich in Bewegung, ein Polizeiauto fährt wie ferngesteuert durch die Dunkelheit, ein Paar sitzt bei laufendem Motor und prasselndem Regen im Auto, schweigend und seltsam erstarrt.
Von den gepflegten Vorgärten der amerikanischen Vorstadt geht es bald nach innen, in die Wohnzimmer mit den Landhaus-Sofas und Fotogalerien auf den Kaminsimsen. Die Scheinwerfer vorbeifahrender Autos zaubern Licht- und Schattenspiele in die Räume, die Kamera streift schlafwandlerisch umher, an der Wand hängt ein Schwert, im vollgestellten Keller fällt der Blick auf einen Halloween-Kürbis. Die Zeichen stehen auf Horrorfilm, aber es bleibt bei den Zeichen.
Der Familienhund spielt auch mit
Während einige Menschen tief schlafen, hat es andere aus ihren Betten getrieben. Eine ältere Frau sitzt in ihrem Sessel und telefoniert, aber niemand hebt ab. Ein junger Mann schminkt sich vor der Kamera seines Handys und schnallt sich Rollschuhe an, ein anderer probiert vor dem Spiegel ein Hemd aus. Ein Aufbruch kündigt sich an – „Landing Meadow“ ist auf einem Straßenschild zu lesen.
Schon in seinem Debüt „Ham on Rye“ (2019) führte Tyler Taormina den Genrefilm auf Abwege und eine Gruppe von Teenagern am Abschlussball vorbei auf eine wunderliche rite de passage. Auch „Happer’s Comet“ spielt mit dem Vokabular, das unzählige Filme in unser kollektives Gedächtnis gespeist haben: nächtliche Atmosphären, der Einbruch des Unheimlichen in die geordnete Suburbia-Welt, die rustikalen Interieurs. Die Aufladungen, die in diesen Bildern gespeichert sind, laufen ins Leere und werden in andere Erzählräume verschoben. In diesen herrschen andere Triebkräfte, sind ganz eigene verpeilte Logiken am Werk.
Taormina, der heute in Los Angeles lebt, hat diesen zauberhaft verspielten Film während des Lockdowns in seiner alter Nachbarschaft in Long Island gedreht – ohne Sound und allein mit dem Kameramann Jesse Sperling. Der Cast setzt sich aus Freund:innen und Familienmitgliedern zusammen, der Abspann zählt sechs „Taorminas“, einschließlich eines Hundes. Die ausgefeilte Tonspur entstand komplett in der Post-Produktion und kommt ganz ohne Dialoge aus. (19.2., 21 Uhr im Delphi)