Mannsbilder im Georg-Kolbe-Museum: Als der Bildhauer noch Giovanni, Francesco, Antonio porträtierte

Diesmal ist das Atelier des Bildhauers voller Männer. Sie stehen, schreiten, stürzen, straucheln. Manche verhärten sich in voller Muskelmasse zu martialischen Kämpfern, erstarren in Posen. Die stammen aus der NS-Zeit, als Georg Kolbe sich dem Zeitgeist mit einem neuen Figurenideal andiente.

Ein junger Mann sinkt, tödlich getroffen, mit hängenden Flügeln nieder wie ein moderner Ikarus: ein abgeschossener Flieger aus dem Ersten Weltkrieg, technoid stilisiert für ein Denkmal. Ein anderer tanzt: der Ballettstar Nijinsky, den Georg Kolbe nach einem Auftritt in Berlin als grazilen Körper in Bewegung erfasste, für immer schön.

Kolbes Männerdarstellungen passten immer perfekt in die Zeit

Die Ausstellung stellt ihm das Video einer auratischen Choreografie von Maurice Béjart zur Seite. Zu den Klängen des sich steigernden „Boléro“ von Ravel entfaltet der Tänzer alle Emotions- und Ausdruckslagen des Mannseins emphatisch, auf rundem Podest. Das war revolutionär: Hier emanzipierte sich ein Tänzer von der herkömmlichen Männerrolle im Ballett, statt immer nur Träger einer Ballerina zu sein.

In Kolbes Werk sind sie enorm wichtig, die Männer. Anhand einer Fotostrecke kann man seine Stilentwicklung des Maskulinen etappenweise nachverfolgen: von den frühen androgynen Gestalten über den gestählten Zehnkämpfer von 1933 bis zu den gebrochenen Heroen der Nachkriegsära, die sich wiederum perfekt in ihre Zeit fügen.

1937 fotografierte Herbert List die Statue von Antikythera in Athen.

© Herbert List/Magnum Photos

Lists Fotografien und Kolbes skulpturale Körper umspielen unterschiedliche Vorstellungen von Männlichkeit. Antike Idealbilder von schönen Jünglingen spukten beiden im Kopf herum. Der junge Kolbe modellierte seine ersten plastischen Werke in Rom, Porträtköpfe junger Männer namens Giovanni, Francesco und Antonio.

List inszenierte Jungs aus seinem Bekanntenkreis beim lässigen Sonnenbaden an mediterranen Küsten. Oder er bannte seine nackten Modelle zeitlos vor griechischen Ruinen ins Bild. Zart streicht das Licht über die Haut, macht lebende Körper zur Skulptur. Darin schwingt auch die Sehnsucht nach dem Ideal einer Gesellschaft mit, die das Homosexuelle nicht kriminalisiert.

Auch die Begeisterung für Michelangelo teilten Kolbe und List. Der Fotograf setzte die Skulpturen des Renaissancekünstlers so feinfühlig ins Licht, dass sie zu atmen scheinen. Einen ramponierten Gipsabguss des berühmten „Gefesselten Sklaven“ fotografierte er in einem kriegszerstörten Museum als brüchige Männlichkeit.