Natalie Portman zeigt, wo der Hammer hängt
Eigentlich war der Donnergott schon immer ein verkappter Heavy-Metal-Star – spätestens, als er den Hammer Mjölnir, den seine von Cate Blanchett gespielte Schwester Hela in „Thor: Tag der Entscheidung“ zerstört, gegen eine Streitaxt eintauschte. Lederkutte plus Axt, das weckt Erinnerungen an die legendären Albumcover der Fantasy-Metaller Manowar. Leider erweist sich der Donnergott Thor in „Love and Thunder“ (ein lupenreiner Heavy-Metal-Titel!) dann aber doch nur als Hairmetal-Promenadenmischung – auch wenn er zwischendurch eine adrette James-Hetfield-Frisur trägt.
Zu „Welcome to the Jungle“ von Guns n’ Roses rettet er auf einem fernen Planeten an der Seite der Guardians of the Galaxy ein außerirdisches Volk; eine zerstörte Tempelstadt wird nach der Schlacht verschmitzt als Kollateralschaden weggelächelt.
Regisseur Taika Waititi („JoJo Rabbit“) hatte sich mit seinem Superhelden-Debüt vor fünf Jahren aus dem Gravitationsfeld des Marvel Cinematic Universe befreit – und zwar so erfolgreich, dass Thor nun als einziger Avenger einen vierten Solofilm bekommt. Dass Showrunner Kevin Feige dem Neuseeländer Carte blanche gegeben hat, lässt sich schon daran erkennen, dass der zweite Thor-Film unter Waititis Regie keinen Anschluss ans Multiversum sucht – obwohl das Serien-Spin-off um Loki, den Bruder des Donnergotts, schon einiges an Vorarbeit geleistet hat.
Die Asgardier, die nach der Zerstörung ihres Heimatplaneten eine Kolonie an einem norwegischen Fjord gegründet haben (und dort zu einer irdischen Touristenattraktion geworden sind), reisen in „Thor: Love and Thunder“ noch klassisch-linear durch das Universum – was bei Waititi heißt: über einem Regenbogen in einem Wikingerschiff, das von zwei Riesenziegen gezogen wird.
Dass es von den Original-Avengers ausgerechnet Kuttenträger Thor in den zweiten Marvel-Zyklus geschafft hat, hat vor allem mit Chris Hemsworth zu tun, der sein mimisches Repertoire, ähnlich wie Channing „Magic Mike“ Tatum, effektiv einzusetzen weiß. Waititi und Hemsworth liegen humoristisch auf einer Wellenlänge.
Auch Tessa Thompson, deren Valkyrie den Asgard-Thron bestiegen hat (als Bürgermeisterin der Fjord-Kolonie läuft sie den halben Film mit einem „Phantom of the Opera“–Shirt herum), hat in „Sorry to bother you“ und „Men in Black: International“ bereits ihr komödiantisches Talent bewiesen. Die Chemie zwischen den Darsteller:innen trägt „Thor: Love and Thunder“ weit, Waititi hatte in Interviews immer wieder betont, dass es ihm mehr um die Story als um das Design geht. (Die Computereffekte wirken dann tatsächlich wie eine Hommage an Achtziger-Jahre-Fantasy.) Streckenweise fühlt man sich dann allerdings wie in einem gespielten Witz, bei dem das Publikum dummerweise außen vor bleibt.
Die Asgardier klauen Zeus seinen Donnerblitz
Das Ensemble ist sichtlich gut aufgelegt, aber oft zieht die Spaß-Parade mit ihren selbstreferentiellen Witzchen teilnahmslos vorüber. Daran ändert auch die Rückkehr der von Natalie Portman gespielten Jane Foster, Thors Ex, nichts, die die heilenden Kräfte der Mjölnir-Bruchstücke nach Asgard führen. Und die den Götterhammer auch gleich für sich beansprucht – beziehungsweise: die von Mjölnir als neue Besitzerin auserkoren wird.
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Waititi hatte in seinem hochgradig bizarren „Thor: Tag der Entscheidung“ ein faszinierendes world building betrieben, der Nachfolger fügt dem aber nur noch wenig hinzu. Es handelt sich höchstens um ein paar nette Details wie das Wikingerraumschiff, Thor in einer Lebenskrise im Big-Lebowski-Outfit und das Intermezzo im Olymp, bei dem die Asgardier-Gang Zeus (Russell Crowe) seinen Blitz klaut.
(Ab Mittwoch in den Kinos)
Göttliche Hilfe haben Thor, Portmans Mighty Thor, Valkyrie und der Steinalien Korg, wieder gesprochen vom Regisseur, auch nötig. Gorr the God Butcher (Christian Bale) zieht bei seinem Rachefeldzug gegen die Götter eine Spur der Vernichtung durch das Universum, gegen sein mächtiges Necrosword kann Mjölnir allein nichts ausrichten. Bale ist ein würdiger Gegenspieler für die Comedytruppe, eine höllisches Schattenwesen mit einer tragischen Vergangenheit, dessen grimmiger Atheismus zwischen Regenbogenbrücken und Donnerblitzen jedoch leicht deplatziert wirkt.
Vielleicht hätte der Ikonoklast Waititi „Thor: Love and Thunder“ konsequenterweise gleich als Ménage-à-trois zwischen Hemsworth, Portman und Thompson anlegen sollen. (Auch Valkyrie hat ein Auge auf Jane geworfen.) Die Romantic-Comedy-Sequenz zu Abba hätte jedenfalls das Zeug, das Superhelden-Genre ein für allemal zu sprengen. Doch für offen queere Figuren ist man im Marvel-Universum noch immer zu verzagt, die Asgard-Kriegerin Valkyrie darf der hammerschwingenden Jane Foster nur verstohlen vielsagende Blicke zuwerfen. Dafür packt Waititi im Schlusssong dann endlich – mehr hetero geht kaum – noch die richtige Heavy-Metal-Keule aus. „Rainbow in the Dark“ von Dio leuchtet den Weg zurück nach Midgard.