Wiederöffnung Haus der Kulturen der Welt: Feier mit Voodoo und Naturgeistern
Wenn der neue Intendant Bonaventure Soy Bejeng Ndikung an diesem Freitagnachmittag das Haus der Kulturen der Welt (HKW) wiedereröffnet, wird er mit einem Willkommen unter freiem Himmel eine neue Ära einläuten. Er löst nach 17 Jahren HKW-Chef Bernd Scherer ab. Und bringt mit: ein neues Programm, eine pluriversale Weltsicht, einen bunteren Look.
Fahnen, die verschiedenen Naturgeistern gewidmet sind, flattern in der Auffahrt, Murals leuchten an der Wand, die Betonsäulen sind mit Stoffinstallationen umhüllt. Der Eingangsbereich wartet mit einer Installation aus gebrauchten Kaffeesäcken von Ibrahim Mahama auf, wie man sie bei der Documenta 2017 bereits gesehen hat. Aus der „Schwangeren Auster“, der Architekturikone, die die Amerikaner 1957 zur Interbau errichtet und West-Berlin als freiheitliches Kongresszentrum schenkten, wird die Ideologie des Kalten Krieges ausgefegt.
Jutesäcke, Murals und Karnevalsdekoration
Benjamin Franklins rein auf den Westen bezogener Freiheitsbegriff, der im Foyer des Hauses zu lesen ist, wird mit Zitaten von internationalen Philosophen, Schriftstellerinnen und Soziologen überschrieben, alle Säle, das Foyer, Garderobe und Dach sind jetzt nach Künstlerinnen und radikalen Denkerinnen aus Indien, Jamaika, Kuba und Südafrika benannt.
International, diskursiv, über den europäischen Horizont hinausreichend war das Programm im Haus der Kulturen der Welt auch unter Bernd Scherer. Unter Ndikung wird es anti-imperialistisch, dekolonial, „radikal solidarisch mit allen, die sich weltweit gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Armut einsetzen“.
Man löst sich vom Geist der westlichen Weltbeherrscher, Missionare, Kolonisatoren, von deren Kunstverständnis und Archiven und öffnet sich für Perspektiven aus Afrika, den Amerikas, Indien, der Südsee. Freundlich und freudvoll soll das ablaufen. Am Auftaktwochenende und danach.
Eine deutsche Kulturinstitution trifft auf Voodoo, trifft auf Karnevalsdekoration, trifft auf Genealogien Schwarzer Macht. Zum Neustart ist eine große Ausstellung zu sehen, im Miriam Makeba Auditorium, wie es jetzt heißt, spricht unter anderem Kulturstaatsministerin Claudia Roth und gleich mehrere Reinigungs- und Erneuerungsrituale sind angekündigt.
Voodoo-Priester Jean-Daniel Lafontant aus Port-au-Prince ruft Papa Legba an, einen Türöffner, Wächter der Kreuzwege, Vermittler zwischen irdischer und geistiger Welt. Die kubanische Künstlerin María Magdalena Campos-Pons wird gemeinsam mit Vertreter:innen des örtlichen Candomblé-Hauses des afro-brasilianischen Kulturforums in einer Prozession Naturgeister herbeirufen.
Platz für Neues soll geschaffen werden
All das ist als Einladung zu verstehen, den Blick zu weiten. Der Weg soll frei werden für Frieden, Gleichheit, Zusammengehörigkeit. Von Konvivialität, einem freudvollen Miteinander, ist die Rede. Blaupause für die Veränderungen sind die Befreiungskämpfe indigener Gesellschaften auf der ganzen Welt.
Und im Besonderen das Konzept der „Quilombos“ – Siedlungen, die seit dem 17. Jahrhundert von befreiten, der Versklavung entflohenen Menschen gegründet wurden. In Brasilien, Venezuela, Kuba und anderswo kamen Menschen mit ganz unterschiedlichen kulturellen Hintergründen in neuen Gemeinschaften zusammen und agierten gemeinsam.
Die Philosophie des Quilombismo, wie sie vom brasilianischen Künstler, Schriftsteller und Politiker Abdias Nascimento (1914–2011) formuliert wurde, ist der rote Faden der prächtigen Ausstellung „O Quilombismo“, die sich auf alle Räume des Hauses ausbreitet. Es wird die Vielfalt des visuellen Ausdrucks gefeiert, mit Installationen, Keramiken, abstrakten Gemälden, Stoffbildern, Performances und Musik. Ein Fest der Sinne soll es sein. Und hoffentlich öffnet sich dann etwas, für ein freundlicheres, gleichberechtigteres Miteinander.