Deshalb ist der Berlin-Marathon so schnell
Mark Milde macht keinen Hehl daraus, warum es ihm als Renndirektor gelingt, immer wieder die besten Läuferinnen und Läufer nach Berlin zu locken. „Der Berlin-Marathon ist der schnellste Marathon auf der Welt“, sagt er. Da kann ihm kaum jemand widersprechen.
Bereits elf Weltrekorde sind seit dem ersten Marathon in Berlin im Jahr 1974, damals noch unter dem Namen „1. Berliner Volksmarathon“, aufgestellt worden. Am Sonntag versuchen sich die Äthiopierin Hiwot Gibrekidan und ihr Landsmann Kenenisa Bekele an neuen Bestzeiten. Und zumindest das Wetter macht Hoffnung: Es soll trocken und angenehm warm werden, dazu wenig Wind. Viel besser geht es nicht.
Doch es sind nicht nur die klimatischen Bedingungen, die die 42,195 Kilometer-Strecke in Berlin so attraktiv für die Spitzenläufer:innen machen. „Die Stadt ist relativ flach, hat wenig Höhenmeter und der Asphalt ist größtenteils in gutem Zustand“, erklärt Milde. Außerdem seien in Berlin die Kurven sehr geschmeidig und sehr angenehm für die Läuferinnen und Läufer. „Gerade im Vergleich zu Marathonstrecken in den USA, wo es oftmals 90-Grad-Kurven gibt.“
Für ortskundige Berliner sind das erstaunliche Sätze. Wer sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto durch diese Stadt bewegt, der hat seit vielen Jahren zu kämpfen mit sanierungsbedürftigen oder gar kaputten Straßen. Die Marathon-Strecke dagegen führt über vergleichsweise gut erhaltenen Untergrund.
Marathon war in den 1970er-Jahren eine Randsportart
In Läufer:innenkreisen ist es schon längst kein Geheimnis mehr, dass in Berlin die ganz schnellen Zeiten drin sind. Bereits 1977, als die Strecke noch am Grunewald entlangführte, lief die Deutsche Christa Vahlensieck in der damaligen Weltrekordzeit von 2:34:48 Stunden ins Ziel.
Vahlensieck war eine Marathon-Pionierin und der Marathon überhaupt als Sportart noch längst nicht so ein Massenevent wie heute. Der Marathon war in den 1970er-Jahren eine Randsportart, die Zeiten waren noch deutlich langsamer als heute. Dennoch deutete der Lauf von Vahlensieck an, dass Berlin ein gutes Pflaster für schnelle Zeiten werden könnte.
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Es sollten aber noch ein paar Jahre ins Land ziehen, ehe der Berlin-Marathon sportlich große Schlagzeilen machte. Im Jahr 1998 gelang dem Brasilianer Ronaldo da Costa die wohl bis heute größte Überraschung des Berlin-Marathons. Die favorisierten Kenianer verloren da Costa in der zweiten Rennhälfte aus den Augen. Da Costa lief ein höllisches Tempo und kam in 2:06:05 Stunden im Ziel an – Weltrekord!
Fortan schafften es die Veranstalter, die weltbesten Läuferinnen und Läufer für den Berlin-Marathon zu verpflichten. „Seit Ronaldo da Costa hier 1998 Weltrekord gelaufen ist, habe ich mich gefragt, was das hier in Berlin für eine Strecke ist“, erzählte der Ausnahmeläufer Haile Gebrselassie 2006 dem Tagesspiegel. „Andere Athleten haben mir gesagt: Es ist unglaublich, wie gut die Strecke ist: so flach, die Oberfläche so gleichmäßig, nicht so viel Kopfsteinpflaster, einfach perfekt für Marathon.“
Die aktuelle Bestmarke steht bei 2:01:39 Stunden
Gebrselassie konnte sich bald selbst von der perfekten Strecke überzeugen. In den Jahren 2007 (2:04:26 Stunden) und 2008 (2:03:59) lief er jeweils in Weltrekordzeit im Ziel ein. Zuvor schon hatten bei den Frauen Tegla Loroupe (1999 in 2:20:43) und Naoko Takahashi (2001 in 2:19:46) neue Bestzeiten aufgestellt, der Kenianer Paul Tergat 2003 in 2:04:55 Stunden.
In einem ähnlichen Weltrekord-Turnus ging das auch nach der großen Marathon-Zeit von Gebrselassie weiter. Die aktuelle Bestmarke steht bei 2:01:39 Stunden, aufgestellt vor drei Jahren von Eliud Kipchoge. Der Kenianer war derart schnell unterwegs, dass der letzte verbliebene Tempomacher schon bei Kilometer 25 schlapp machte.
Nun versucht es Kenenisa Bekele wieder, nachdem er vor zwei Jahren Kipchoges Weltrekord um die Winzigkeit von zwei Sekunden verpasst hat. Bekele geht allerdings mit einem Nachteil ins Rennen: Die Stimmung beim Berlin-Marathon, die den Läufer tragen kann, wird am Sonntag wegen der Corona-Maßnahmen etwas heruntergedimmt. Weniger Zuschauerinnen und Zuschauer als sonst werden am Straßenrand stehen, auch wird nicht so viele Musik-Acts wie gewohnt neben der Strecke geben.
Vermutlich wird daher am Sonntag nicht der zwölfte oder gar der dreizehnte Weltrekord beim Berlin-Marathon purzeln. Viele würden damit gut leben können. Denn für die meisten der rund 25.000 Läuferinnen und Läufer gilt ohnehin das bekannte Sportlermotto: Dabei sein ist alles.