Thomas Allofs erinnert sich an die WM 1982: „Es ist einfach total verrückt“

An diesem Donnerstag (12 Uhr) gibt Bundestrainer Hansi Flick seinen Kader für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar (20. November bis 18. Dezember) bekannt. 26 Spieler darf Flick nominieren – drei mehr als bei den vorangegangenen WM-Endrunden.

Vor 40 Jahren waren es noch 22 Spieler. Vier weniger als heute – und trotzdem zu viele für den damaligen Bundestrainer Jupp Derwall. Statt 22 Spielern nahm er 1982 nur 19 mit zum Turnier nach Spanien.

Thomas Allofs (Fortuna Düsseldorf), Stephan Engels (1. FC Köln) und Holger Hieronymus (Hamburger SV) gehörten zwar zum offiziellen Aufgebot, waren bei der Weltmeisterschaft selbst aber nicht mit dabei. Thomas Allofs wundert sich noch heute darüber.

Herr Allofs, wissen Sie noch, wo und wie Sie 1982 Ihren Sommerurlaub verbracht haben?
Das weiß ich sogar noch sehr genau. Im Sommer 1982 war ich am Gardasee. Mit den Klamotten der Nationalmannschaft.

Weil Bundestrainer Derwall Sie zwar in den 22er-Kader für die Weltmeisterschaft berufen hatte, Sie aber nicht mit nach Spanien genommen hat.
Das stimmt. Wir – also Stephan Engels, Holger Hieronymus und ich – standen nur auf Abruf bereit. Aber es hätte natürlich jeden Tag sein können, dass einer von uns nachnominiert wird. Deshalb hatte ich die Klamotten mit im Urlaub. Das war schon eine kuriose Geschichte.

Eigentlich will doch jeder Trainer bei so einem Turnier einen möglichst großen Kader zur Verfügung haben, damit er auf alle Eventualitäten reagieren kann. Ich glaube, das war eine einmalige Sache, dass der Bundestrainer freiwillig auf drei Spieler verzichtet.

Aus heutiger Sicht kommt einem das zumindest völlig abstrus vor. Wie ist Derwalls Entscheidung damals aufgenommen worden?
Es war kein Riesenthema in der Presse. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern.

Waren Sie beim Trainingslager im Schwarzwald noch dabei?
Nein, wir haben noch das Abschiedsspiel von Franz Beckenbauer in Hamburg mitgemacht.

Und dann hat Derwall Ihnen mitgeteilt, dass er Sie nicht mit nach Spanien nimmt.
So muss es gewesen sein. Den genauen Grund weiß ich gar nicht mehr. Das wird das Geheimnis der damaligen Führungscrew bleiben. Wer war damals Derwalls Assistent?

Erich Ribbeck.
Genau. Vielleicht war das Hotel zu klein, und es gab nur 19 Zimmer. Es ist einfach total verrückt. Eigentlich gibt es keine logische Erklärung dafür. Zumal es noch einige Spieler gab, die angeschlagen waren.

Hansi Müller war am Knie operiert worden und konnte anfangs nur Fahrrad fahren. Dass er rechtzeitig zur WM fit wird, war jedenfalls nicht abzusehen.

Derwall hat gesagt, er wolle keine frustrierten Ersatzleute im Hotel haben.
Meine Güte, wie alt war ich 1982? 22. Holger Hieronymus war ein halbes Jahr älter als ich, Stephan Engels ein bisschen jünger. Wir waren doch froh, dass wir überhaupt zum Kader gehörten.

Thomas Allofs im deutschen Nationaltrikot. Sein Länderspieldebüt feierte er erst nach der WM 1982.
Thomas Allofs im deutschen Nationaltrikot. Sein Länderspieldebüt feierte er erst nach der WM 1982.
© Foto: imago images/Kicker/Eissner, Liedel

Sie hatten zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal ein A-Länderspiel bestritten!
Du nimmst junge Spieler mit zu einem solchen Turnier, damit sie zumindest Erfahrungen sammeln – auch wenn sie nicht zum Einsatz kommen.

Und als Bundestrainer denkt man sich doch was dabei, wenn man einen Spieler in sein Aufgebot holt. Wenn man an seinen Fähigkeiten zweifelt, nominiert man ihn gar nicht erst. Dann nimmt man halt andere. Wir wären einfach froh gewesen, dabei zu sein. Alles ein bisschen eigenartig. Aber gut. Ist halt so gewesen.

Jimmy Hartwig hat nach Beckenbauers Abschiedsspiel gesagt: „Ein Mann, wie Holger Hieronymus, der fit ist, bleibt zu Hause. Aber ein Hansi Müller, der nicht fit ist und Übergewicht hat, soll nach Spanien.“ Wissen Sie noch, wie Engels und Hieronymus auf Derwalls Entscheidung reagiert haben?
Wir haben nicht auf den Putz gehauen. Es gab keine Kritik, nicht von Engels und Hieronymus und auch nicht von mir. Man musste bei uns auch nicht befürchten, dass wir irgendwelche Forderungen oder Ansprüche stellen.

Heute, im Handyzeitalter, wäre es kein Problem, Sie jederzeit zu erreichen. Aber wie war das vor 40 Jahren? Mussten Sie eine Telefonnummer von Ihrer Unterkunft am Gardasee hinterlassen?
Wahrscheinlich mussten wir die Bild-Zeitung lesen – weil die im Ernstfall geschrieben hätte: Bitte, meldet euch! (Lacht).

Im Tagesspiegel stand damals: Statt ,Dolce Vita‘ gibt es nur aktive Erholung. Sie selbst haben über Ihren Urlaub gesagt: „Mit viel Essen und Trinken ist natürlich nichts. Ich werde Tennis spielen und ein paar Runden um den See laufen.“
Ich war mit meinem Bruder und meinem Vater am Gardasee. Fußball haben wir nicht gespielt. Aber Tennis, das stimmt. Wir haben uns bewegt, wie man das im Urlaub eben macht.

Gezieltes oder fußballspezifisches Training war das jetzt nicht. Wir haben auch keinen Plan mitbekommen, in dem stand: Das und das müsst ihr machen. Wir haben uns fit gehalten.

Und als die WM losging?
Da war ich wahrscheinlich schon wieder zu Hause. Irgendwann fing ja auch das Training im Verein wieder an. In jenem Sommer bin ich von Fortuna Düsseldorf zum 1. FC Kaiserslautern gewechselt. Da war auch noch der Umzug zu regeln und alles, was damit zusammenhängt.

Gab es während der WM noch mal Kontakt zum Bundestrainer?
Nein, den gab’s nicht.

Sie sind auch nicht zum Finale gegen Italien eingeladen worden?
Auch nicht. Für uns war das Thema abgehakt.

Immerhin könnten Sie sich Vizeweltmeister nennen.
Dieses Gefühl ist nie bei mir aufgekommen. Und wir haben auch keine WM-Prämie bekommen, falls Sie das jetzt fragen wollten.

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