Spione im Kalten Krieg: Sie waren die realen George Smileys und James Bonds

Der britische Autor John le Carré wusste, wovon er in seinen Agentenromanen schrieb, hatte er doch selbst für die britischen Geheimdienste MI5 und MI6 gearbeitet. Ähnliches galt für James-Bond-Erfinder Ian Flemming. Als Reuters-Journalist hatte er erlebt, wie in der Sowjetunion bei stalinistischen Schauprozessen Ausländer als Spione angeklagt wurden. Wenn man sich die dreiteilige BBC-Dokumentation „Geheimdienste im Kalten Krieg“ anschaut (Arte, 30.7. um 20.15 Uhr sowie in der Arte-Mediathek), ist man dennoch überrascht, wie nah an der Realität Figuren wie le Carrés George Smiley oder Flemmings 007 platziert waren.

In dem TV-Dreiteiler wimmelt es auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs geradezu vor Doppelagenten, die aus den unterschiedlichsten Motiven nicht nur für ihr Heimatland spionierten, sondern es zugleich verrieten. Und auch die Schilderungen lebensgefährlicher Geheimdienstoperationen waren nah an der Realität. Genauso wie Tricks mit radioaktiver Farbe, mit der der KGB britische Botschaftsautos zur besseren Verfolgung präparierte.

Radioaktive Farbe unter britischen Botschaftsautos

Die BBC-Dokumentation schaut zurück auf die Jahre von 1982 bis 1985. Die Sowjetunion verfügt zu der Zeit über 33.000 Atomwaffen, die USA über 22.000 – der mehrfache Overkill schien vielen Menschen in Ost und West nur als eine Frage der Zeit.

Zwischen den Regierungen der beiden Seiten herrschte seit längerem Eiszeit. Die sowjetische Führung war nach dem Tod von Leonid Breschnew vor allem mit sich selbst beschäftigt, zumal seine direkten Nachfolger Juri Andropow und Konstantin Tschernenko ebenfalls nach nur kurzer Amtszeit verstarben. „Entweder wir gehen drauf oder sie. Besser natürlich sie“, war die Einstellung der Sowjetführung zu dieser Zeit.

US-Präsident Ronald Reagan vertiefte zu Beginn seiner Amtszeit die Ost-West-Spaltung weiter. Dass er die Sowjetunion als „Imperium des Bösen“ bezeichnete und atomare Mittelstreckenraketen in Europa stationieren ließ, erhöhte das russische Misstrauen gegenüber dem Westen weiter. Erst mit Michail Gorbatschow wurde der politische Stillstand aufgebrochen. Dass dabei die britische Premierministerin Margaret Thatcher eine wichtige Rolle spielen konnte, war nicht zuletzt der Arbeit der Geheimdienst zu verdanken, heißt es in der BBC-Dokumentation.

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Die britische Premierministerin Margaret Thatcher genehmigte 1985 die Ausschleusung eines enttarnten russischen Doppelagenten in den Westen

Der Dreiteiler nutzt dabei verschiedenste Mittel, um diese zeithistorisch so wichtige Epoche in Erinnerung zu rufen, die einerseits sehr weit zurückliegend erscheint, aber wegen der aggressiven russischen Politik unter Wladimir Putin wieder eine erschreckende Aktualität gewonnen hat.

Die Dokumentation lässt zahlreiche ehemalige Geheimagenten beider Lager ebenso zu Wort kommen. Darunter ein ehemaliger Leiter der britischen Geheimdienstzentrale GCHQ, ein früherer Leiter des MI6-Büros in Moskau und mehrere Ex-KGB-Offiziere.

Zudem wurden Interviews mit hochrangigen Ex-Diplomaten oder Menschen wie Marina Litwinenko und der Eisenhower-Enkelin Susan geführt, die einen ganz besonderen Zugang zum Thema haben. Mittels Reenactments und Filmaufnahmen aus den beginnenden 80er Jahren an den jeweiligen Schauplätzen entsteht zudem ein faszinierend plastischer Eindruck jener Jahre.

In einigen Fragen fällt allerdings die überstarke britische Brille auf, mit der die BBC-Doku auf das Geschehen blickt. So sind zwar Bilder der britischen Proteste gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Europa zu sehen, dass die Menschen in anderen Ländern wie besonders in Deutschland ebenfalls massiv gegen diese Pläne auf die Straße gegangen sind, wird nicht erwähnt.

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Kritisch betrachtet muss zudem die Prämisse der Dokumentation werden, dass der Ost-West-Konflikt dieser Jahre vor allem von der Sowjetunion ausging. Später wird Gorbatschow seinen amerikanischen Amtskollegen daran erinnern, dass vor allem sein Land von Atomwaffen umzingelt war.

Zu der Zeit hatte bei Reagan bereits in Umdenken stattgefunden. Eine Ursache dafür, so die Doku, war die Ausstrahlung des US-Fernsehfilms „The Day After – Der Tag danach“, der nicht nur der amerikanischen Bevölkerung die verheerenden Auswirkungen eines Atomkrieges bildlich vor Augen geführt hat, sondern auch Ronald und Nance Reagan tief bewegt haben soll.

Doch zunächst ist die Politik in der rund 150 Minuten langen Dokumentation noch weit vom politischen Tauwetter zwischen Ost und West entfernt. Vielmehr steht die Welt am atomaren Abgrund. Just in die Zeit fällt eine der gefährlichsten Geheimdienstoperationen des gesamten Kalten Krieges.

Als KGB-Überläufer in die Geschichtsbücher: Oleg Gordijewski

Von den drei Agenten, die im Zentrum dieser geheimen Auseinandersetzung stehen, ist einer besonders wichtig: Der KGB-Oberst Oleg Gordijewski, der später als höchstrangiger öffentlich bekannter West-Überläufer in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Bereits lange vor seiner Zeit in der Londoner Botschaft der Sowjetunion war er von den Briten angeworben worden. Seine Motivation: die gefährliche Spaltung der Welt beenden.

Beim zweiten Agenten, auf den sich die TV-Doku konzentriert, handelt es sich um Michael Bettaney vom britischen Inlandsgeheimdienst MI5. Sein Job ist das Aufspüren russischer Spione wie Gordijewski. Doch aus Enttäuschung über die Haltung seiner Regierung fühlt er sich von der Sowjetunion angezogen, lässt sich vom KGB anwerben.

Nummer drei in diesem internationalen Geheimdienst-Kleeblatt ist Aldrich Ames. Er bekommt den Auftrag, für die CIA eine Abteilung zur Rekrutierung von KGB-Überläufern in den USA aufzubauen. Doch weil er sich nicht ausreichend gewertschätzt fühlt und überdies massiv Schulden hat, wird er zum Verräter an seinem Land. Er verkauft sich an den KGB und gibt die Namen von zahlreichen russischen Spionen preis, die für die USA arbeiten.

Alle lieben den Verrat, aber niemand liebt den Verräter – John le Carré und Ian Flemming haben das in ihren Romanen hinreichend beschrieben. Die BBC-Doku erinnert daran, wie wenig Loyalität es gibt – auch unter Spionen.