Simon Shaheen im Boulez Saal: Im Zaubergarten der Klänge
Seit 1980 lebt Shaheen, als katholischer Palästinenser im israelischen Tarshiha geboren, in den USA, wo er am Berklee College of Music unterrichtet. In seinem Einsatz für den musikalischen Dialog der Kulturen musizierte er mit Dave Brubeck, Sting und The Klezmatics. Das Zusammenspiel von Klangtraditionen prägt auch das fünfköpfige Ensemble: Neben arabischen Instrumenten wie der Oud oder der Kanun, einer Zither, sind Violine, Kontrabass und Querflöte zu hören.
Mit einer improvisierten Einleitung beginnt Shaheen das Konzert am Samstagabend im Boulez Saal. Fragend, zaghaft tasten sich die ersten Klänge der Oud, der arabischen Laute, durch den vollen Saal. Dann plötzlich gibt es kein Halten mehr: Mit einem weit aufgefächerten Klang fällt das restliche Ensemble ein.
Geerdet vom kräftigen, runden Beat des Kontrabasses (Thomas Bramerie) und der zehn Schlaginstrumente (ein Orchester für sich: Tareq Rantisi) entfalten sich weit geschwungene Kantilenen von großer Schönheit. Jeder der Musiker ist ein vollendeter Virtuose.
Wie im Jazz wird improvisiert
Wie im Jazz wechseln improvisierte und durchkomponierte Passagen, wirft sich das Ensemble spielerisch die Melodiefragmente zu. So auch bei Shaheens Komposition Al Qantara, die Beifallsstürme hervorruft. Besonders Rami Abuolaya erzeugt auf der Querflöte und der Rohrflöte Ney reich verzierte Bögen, bevor das metallische Prasseln von Oud und Kanun (Firas Zreik) in irrwitziger Geschwindigkeit das Stück furios beendet.
Trotz Shaheens charmanter Moderation ist den Stücken nicht immer leicht zu folgen, denn leider wird kein Programmheft angeboten. Umso mehr ist man zum genauen Zuhören gezwungen. Dargeboten werden auch klassische nahöstliche Komponisten, die nur selten auf deutsche Konzertbühnen zu hören sind.
Ein solcher Klassiker ist Fatafit il-Sukar des Ägypters Mohamed Fawzi, ein Stück voll melancholischer Süße, das sich auch Nicht-Kennern der arabischen Musik unmittelbar erschließt. Shaheen, der die Oud kurz beiseite gelegt hat, ist hier als Violinvirtuose zu hören. Einen ganz und gar nicht melancholischen Wirbel halsbrecherischer Rhythmik entfaltet hingegen das Tanzstück Touta von Farid al-Atrash, dem Bruder der legendären Sängerin Asmahan.
Beschwingt und lebensfroh neigt sich das Konzert mit Shaheens Komposition „Olive Harvest“ nach über zwei Stunden seinem Ende zu. In diesem euphorischen Tanz, einer traditionellen Feier der Olivenernte, zeigt das Ensemble noch einmal sein ganzes Können. Der euphorische Applaus des Publikums beweist, dass zumindest in der Musik der Dialog der Kulturen funktioniert.