Rassismus verdient keine mildernden Umstände

Patrick Moster, hauptamtlicher Leistungssportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), wollte seinen Fahrer „anfeuern“. Das ging dann so: Der am Straßenrand hechelnde Funktionär brüllte Nikias Arndt hinterer: „Hol die Kameltreiber, hol die Kameltreiber, komm.“ Im Eifer des rassistischen Unfugs hatte Moster womöglich verdrängt, dass die Fernsehkameras die Aufholjagd des Deutschen auf zwei Fahrer aus Algerien im Zeitfahren dokumentierten.

Wenig später ruderte Moster zurück, plädierte per Entschuldigung für mildernde Umstände. Die könnte er sogar bekommen. Rudolf Scharping sagte zwar, die „Aussage sei nicht akzeptabel“, der Präsident des BDR sagte aber auch, dass es eben „besonderen Stress“ gebe bei so einer gewaltigen Veranstaltung wie den Olympischen Spielen von Tokio.

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Die gewachsene Sensibilität in großen Teilen der Gesellschaft ist allerdings inzwischen so groß beim Thema Rassismus, dass es mit mildernden Umständen für Moster schwer wird: Einmal in die weite olympische Welt gerufen, ist so eine rassistische Aussage wie die des deutschen Sportdirektors in Stein gemeißelt. Das lässt sich nicht löschen. Rassismus unter Stress ist – Rassismus.
Mosters Zurückrudern nützt nur insofern, dass sich die Menschheit verhältnismäßig sicher sein kann, dass zumindest dieser Funktionär künftig vorsichtiger sein wird bei seinen Auftritten. Sicher ist Moster nicht der einzige Trainer, der dieser Tage so einen indiskutablen Spruch in die Welt fräst. Das passiert täglich im Sport und vor allem dort, wo keine Kamera mitläuft.

Und in Gedanken passiert es noch viel häufiger als im gesprochenen Wort. Aber auch diese Umstände relativieren gar nichts, was Moster betrifft. Er hat – unbeabsichtigt – mit seinem Ruf am Straßenrand den Finger in eine offene Wunde gelegt, die so schnell nicht heilen wird, auch dann nicht, wenn Moster nach dem Spielen zurücktreten muss. Aber es ist hilfreich für den Heilungsprozess, wenn weiter diskutiert wird und wenn Menschen so klar reagieren, wie es der „Angefeuerte“ getan hat. Nikias Arndt schrieb als Reaktion auf „Twitter“: „Ich bin entsetzt über die Vorfälle beim heutigen olympischen Zeitfahren und möchte mich hiermit deutlich von den Aussagen des sportlichen Direktors distanzieren!“