Die Kunstmesse FIAC wird aus dem Grand Palais vertrieben
Mitte dieser Woche trudelte eine harmlos klingende Pressemitteilung herein. Die Vereinigung der französischen Nationalmuseen, zu der auch das derzeit wegen Renovierung geschlossene Pariser Grand Palais zählt, gaben die künftigen Betreiber der beiden dort beheimateten Messen – der Kunstmesse im Oktober und der Fotografiemesse im November – bekannt.
Die Sensation entpuppte sich bei der Lektüre: Von der FIAC, wie die Kunstmesse gekürzelt wird, war nur mehr in einem Nachsatz die Rede. Stattdessen übernimmt MCH die Kunstmesse, laut Pressemitteilung „eine Schweizer Gruppe, am besten bekannt für die Organisation der Kunstmessen in Basel, Miami Beach und Hong Kong“.
Die frühere Betreibergesellschaft RX France geht leer aus
Was so harmlos klingt, ist nichts weniger als die Übernahme von Paris durch die Art Basel, schon jetzt die mit Abstand bedeutendste Kunstmessen-Organisation der Welt. Nur Paris Photo, die 1997 ins Leben gerufene und seither zur unbestrittenen Nummer Eins aufgestiegene Fotomesse, bleibt bei ihrem bisherigen Betreiber RX France, einer Tochtergesellschaft des in London gelisteten, zehn Milliarden Euro Jahresumsatz schweren Medienkonzerns RELX. Unter dessen Dach befindet sich unter anderem der niederländische Verlagsgigant Elsevier.
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Die neue Zuordnung ist auf sieben Jahre vereinbart; sie wurde erst am Mittwochmorgen vom Aufsichtsrat des Grand Palais abgesegnet. Ungewöhnlich war bereits die öffentliche Ausschreibung der beiden Messen. Möglich wurde sie durch den ab diesem Jahr vertragslosen Zustand der beiden bislang von RX France betriebenen Messen.
Dahinter steckt Chris Dercon, Chef der Museumsvereinigung
Hinter der strategischen Neuausrichtung des Messebetriebs steckt maßgeblich Chris Dercon, der seit seiner Demission bei der Berliner Volksbühne Präsident der Vereinigung der Nationalmuseen und des Grand Palais ist. Die Art Basel hatte bereits 2021 Interesse an der Übernahme der Pariser Messe signalisiert. Für die Schweizer war allein der Herbsttermin neben den feststehenden Messeterminen in Basel, Miami und Hong Kong noch offen.
Der beiden jetzt unter Vertrag genommenen Betreiber erklärten sich offiziell „bereit, eine starke Präsenz französischer Galerien sicherzustellen“ und eine „kontrollierte Preispolitik“ zu verfolgen. Beides soll von der Vereinigung der Nationalmuseen und des Grand Palais sowie dem ihr übergeordneten Kulturministerium „eng überwacht“ werden.
Die Kunstmesse soll zur „einzigartigen Marke“ entwickelt werden
Dafür verspricht die Schweizer Messegruppe „namhafte Investitionen, die für die Weiterentwicklung der Messe in einem von zunehmendem Wettbewerb gekennzeichneten Markt entscheidend sein werden“. Gestärkt werden sollen die Verbindungen zur Kreativindustrie, insbesondere zu Mode und Design als „französische und Pariser Qualitätsprodukte“. Die Kunstmesse, so die Ankündigung, soll als „einzigartige Marke“ entwickelt und von einem in Frankreich ansässigen Team organisiert werden.
In diesem und dem kommenden Jahr werden beide Messen weiterhin im „Grand Palais Éphémère“ abgehalten, dem temporären Ausweichquartier in Nachbarschaft des Eiffelturms. Ab 2024 geht es zurück auf die dann vergrößerten Flächen des Grand Palais, der derzeit saniert wird. Für Paris Photo sollen dann auch dem Film und vor allem der digitalen Bildproduktion erweiterte Flächen bereitgestellt werden.
London schwächelt, Paris boomt
Der bisherige Betreiber RX France bedauerte die getroffene Entscheidung. Er kündigte mögliche rechtliche Schritte gegen das Vergabeverfahren an, das ein Sprecher als „hastig und fehlerhaft“ bezeichnete. Die Übertragung der Messe bedeute eine „herbe Enttäuschung für alle unsere Kunden und Partner“ und werde „erhebliche Rückwirkungen auf die französische Gegenwartskunst“ haben. Englische Fachzeitschriften orakeln hingegen, dass der Auftritt der Art Basel dazu beitragen könne, das ohnehin vom Brexit geschwächte London als führenden Kunsthandelsplatz abzulösen und durch Paris zu ersetzen. Bernhard Schulz