„Das Museum als Reise“
Sie treten in rauen Zeiten an: Sam Bardaouil und Till Fellrath, die neuen Direktoren im Hamburger Bahnhof. Die Aufmerksamkeit liegt in diesen Tagen auf dem Krieg in der Ukraine. So werden auch die beiden Neuen, die am Dienstagmorgen ihre Strategie für Berlins wichtigstes Museum für zeitgenössische Kunst vorstellen, gefragt, wie und ob sie Kunst aus der Ukraine und Russland künftig präsentieren wollen.
Bardaouil, im Libanon geboren, einem Bürgerkriegsland, hat hier keine gefällige, aber eine gute Antwort: Sich mit unterschiedlichen Formen der Unterdrückung auseinanderzusetzen sei ein permanenter Prozess im Hamburger Bahnhof, früher und künftig. Ad-hoc-Ausstellungen mit Kunst aus der Ukraine sind in der Invalidenstraße also eher nicht zu erwarten. Solidaritätsbeflaggung aber schon.
Ausstellung zur Balance
Und auch Kunst aus verschiedenen Teilen der Welt, die Themen wie Widerstand oder Nationalstaatlichkeit verhandeln, aktuell mit „Nation, Narration, Narcosis“. Im Juni startet eine von Nina Schallenberg kuratierte Ausstellung, die das Ringen der Gesellschaft nach Ausgeglichenheit, Harmonie und Stabilität zum Thema hat. Auch das passt. „Balance“ heißt sie und arbeitet mit Werken aus der Sammlung Marx.
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Bardaouil und Fellrath sind als umtriebige, international bestens vernetzte Kuratoren bekannt, die für ihre Aufgabe im Hamburger Bahnhof zum ersten Mal in die Direktorenrolle schlüpfen. Sie planen eine intensive Vernetzung mit der Berliner Kunst- und Stadtgesellschaft – der Hamburger Bahnhof wird etwa erstmals Standort der Berlin Biennale, die im Juni eröffnet. Auch die Geschichte des ehemaliges Bahnhofsgebäudes, einst im deutsch-deutschen Grenzgebiet gelegen, soll aktiv thematisiert werden.
Dafür wird ein „permanenter Archivraum“ eingerichtet. Man will als Institution der Nationalgalerie auch stark mit den anderen Häusern der Nationalgalerie kooperieren, dabei den Schwerpunkt auf das Zeitgenössische, Fluide, Entdeckerische setzen. Auch das Sammeln sehen die neuen Direktoren als ihre Aufgabe an; so soll die Kollektion im Hamburger Bahnhof in 20 oder 30 Jahren darüber Auskunft geben können, welche Themen und welche Kunst uns heute bewegen.
Neues zu den Standortproblemen, zum von Berlin versprochenen Erwerb und Erhalt von Hauptgebäude und Rieckhallen, können Bardaouil und Fellrath nicht sagen. Sind aber zuversichtlich. Dem folgt man erstmal gern.