Mindestens zwei weitere Wochen Tabellenführer: Der 1. FC Union kann genießen und durchatmen
Niko Kovac klang fast neidisch, als er am Sonntagabend von der Leistung des Gegners schwärmte. Mit ihrer Leidenschaft, ihrer Ekligkeit und ihrer Bereitschaft hätten die Spieler des 1. FC Union das gezeigt, was ihm bei seiner Mannschaft aktuell fehlt, sagte der Trainer des VfL Wolfsburg. „Jeder, der Fußball verfolgt, weiß, wie Union an die Tabellenspitze gekommen ist: Mit Leidenschaft, mit Kampf und mit Herz. Das hätten wir heute auch bringen müssen, haben es aber nicht gebracht“, befand Kovac.
Entsprechend sah die Bundesliga-Tabelle nach dem 2:0-Sieg von Union auch aus. Während der finanzstarke, kriselnde VfL Wolfsburg nach sieben Spieltagen auf einem direkten Abstiegsplatz steht, ist der kleine 1. FC Union Spitzenreiter. Und das nicht durch Glück, sondern verdient.
Als einzige Mannschaft der Liga ist Union in dieser Saison noch ungeschlagen, kein anderes Team hat weniger Tore kassiert. Auf dem Weg an die Spitze haben die Berliner nicht nur gegen Wolfsburg, sondern auch gegen Rasenballsport Leipzig und den FC Bayern gepunktet. Wie Kapitän Christopher Trimmel am Sonntag nochmal betonte, ist das alles andere als ein Zufall.
„Man hat es speziell gegen die Spitzenteams wie Bayern und Leipzig gesehen“, sagte der Österreicher, bevor er sich in Richtung Flughafen und Nationalmannschaft verabschiedete. „Wenn man sieht, dass auch diese Mannschaften nur vier oder fünf Chancen haben, dann ist es die Bestätigung, dass wir es richtig gut machen. Der Verbund passt perfekt, die Absprache passt perfekt. So lässt man den Gegner wenig Chancen.“
Von einem verdienten Sieg der Berliner sprach Kovac nach dem Spiel, und auch Union-Trainer Urs Fischer schwärmte von seiner Mannschaft. „Was die Mannschaft in der zweiten Hälfte gezeigt hat, war sehr reif. Drei Tage nach einem schwierigen Europapokalspiel mit einer nicht ganz einfachen Rückreise 122 Kilometer zu laufen – ich bin wirklich beeindruckt. Die Mannschaft hat unheimlich viel aufgewendet, um dieses Spiel zu gewinnen.“
In der Liga steht man also verdient an der Spitze, und wird dort wegen der Länderspielpause mindestens bis in den Oktober bleiben. Wie Fischer allerdings betonte, kommt Union die Unterbrechung nun gelegen. „Die Pause ist nicht schlecht, um diese erste Phase zu analysieren und richtig einzuordnen“, sagte er.
Vielleicht auch, um ein wenig durchzupusten. Denn in der ersten Halbzeit gegen Wolfsburg hat man zum Teil gemerkt, wie groß die Strapazen der zwei zurückliegenden Englischen Wochen waren. Bei aller Leidenschaft und Laufbereitschaft haben die Frische und die Spritzigkeit der ersten Saisonspiele zwangsläufig gefehlt. In der Pause kann man sich nun wieder erholen und die Ruhe vor dem nächsten Sturm gut nutzen.
Die aktuelle Euphorie sollte schließlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Union immer noch nur am Anfang eines schwierigen Herbstes steht. Am Sonntag erinnerte Fischer daran, dass seine Mannschaft direkt nach der Länderspielpause drei Auswärtsspiele in neun Tagen absolvieren muss: „In der ersten Woche fliegen wir nach Frankfurt, nach Malmö und nach Stuttgart. Das hat es dann schon in sich. Es kommt eine ganz schwere Phase auf uns zu“, sagte der Trainer.
Auch deshalb lässt man sich nicht zu sehr vom aktuellen Erfolg mitreißen. Wie Trimmel und seine Teamkollegen am Sonntag mehrfach betonten, bleiben das Saisonziel ganz deutlich die 40 Punkte, die man für den Klassenerhalt braucht – aktuelle Tabellensituation hin oder her. „Es ist uns egal, ob jetzt die Bayern hinter uns sind. Wir wissen, wie schnell es gehen kann“, sagte der Kapitän.
Dass man auch mal verlieren kann, hat sich ja neulich erst in der Europa League gezeigt. Dort steht man nach zwei Niederlagen schon gewaltig unter Druck. In den nächsten zwei Spielen gegen Malmö wird sich entscheiden, ob Union im europäischen Wettbewerb überwintert oder nicht. Doch auch diese Herausforderung wollen die Berliner mit ihren bewährten Tugenden angehen. „Wir haben immer betont, dass die Bundesliga unser Kerngeschäft ist“, sagte Trimmel. „Klar wollen wir international Punkte gewinnen, aber wir lassen uns nicht aus dem Konzept bringen.“ Kit Holden
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