Wie ein vorgezogenes Finale: Frankreich gegen Südafrika bei der Rugby-WM

Fast einen Monat ist es her, dass Frankreichs Heim-WM beinahe zum Desaster geworden wäre. Am 21. September gewannen die „Bleus“ souverän gegen Namibia und feierten damit den zweiten Sieg im zweiten Turnier-Spiel. Doch so richtig freuen konnte sich darüber keiner, nachdem Kapitän Antoine Dupont einen Jochbeinbruch erlitten hatte und plötzlich für den Rest der WM auszufallen drohte.

Zugunsten des Gastgebers ist so eine Rugby-WM aber erstaunlich lang. Nach vier Wochen und vierzig Vorrundenspielen startet das Turnier an diesem Wochenende endlich in seine entscheidende Phase. Und vor dem großen Kracher im Viertelfinale gegen Südafrika (21 Uhr/ProSiebenMaxx) haben die Franzosen plötzlich wieder einen Grund zum Lächeln.

„Ich dachte, mein Turnier wäre vorbei“, sagte Dupont am Freitag. Stattdessen wird er am Sonntag pünktlich zum Viertelfinale wieder aufs Spielfeld zurückkehren. Das sei auch keine frühzeitige oder überhastete Rückkehr, sagte der Frankreich-Star, der nach einer Operation nun mit Kopfschutz spielen wird. „Ich bin in Topform, sowohl physisch als auch mental.“

Zwei absolute Topfavoriten treffen aufeinander

Ob er wirklich schon so kurz nach einem chirurgischen Eingriff auf höchstem Niveau spielen kann, wird sich erst am Sonntag zeigen. Aber auch einen Dupont mit 80 Prozent Leistungsvermögen können die Franzosen im Pariser Stade de France gut gebrauchen. Denn eigentlich ist dieses Viertelfinale auch eine Art vorgezogenes WM-Endspiel.

Mit Gastgeber sowie Weltranglistenzweiten Frankreich und dem Titelverteidiger Südafrika treffen zwei absolute Topfavoriten aufeinander. Denn beide Teams haben den Anspruch und die Klasse, Weltmeister zu werden. Für eine der beiden Mannschaften wird aber schon im Viertelfinale Schluss sein.

Das liegt zum einen an der kuriosen und heiß diskutierten Turnierstruktur, bei der fast alle Schwergewichte auf einer Seite des Spieltableaus gelandet sind.

Neben Frankreich und Südafrika sind das auch der Rekordsieger Neuseeland und der aktuelle Weltranglistenerste Irland (nach Redaktionsschluss beendet), die schon Samstag ihr Viertelfinale bestritten haben. Von den aktuell wohl vier besten Mannschaften der Welt werden so nur zwei ins WM-Halbfinale kommen können.

Schon vor dem Turnier hat das für Kontroverse gesorgt. Vor den Viertelfinals herrscht nun bei vielen das Gefühl, dass Mannschaften wie England, Wales oder Argentinien nur mit etwas Losglück so weit kommen konnten. Andererseits bietet das auch die Chance, dass eine Mannschaft wie Fidschi Geschichte schreiben könnte.

Fidschi träumt von historischem Halbfinale

Das würde fast jeder gerne sehen, denn im Laufe des Turniers ist die kleine Mannschaft aus dem Pazifik zum Publikumsliebling in den französischen Stadien geworden. Während andere Außenseiter wie Georgien und Japan eher enttäuscht haben, hat Fidschi mit offensivfreudigem Rugby verzaubert.

„Solange wir noch mit einem Lächeln spielen, kann uns nichts aufhalten”, sagte Semi Radradra, Spieler in der fidschianischen Nationalmannschaft.
„Solange wir noch mit einem Lächeln spielen, kann uns nichts aufhalten”, sagte Semi Radradra, Spieler in der fidschianischen Nationalmannschaft.
© Reuters/Stephane Mahe

Zwar wechselt bei Fidschi Licht und Schatten – auf den sensationellen Sieg gegen Australien folgte im letzten Gruppenspiel gegen Portugal eine enttäuschende Niederlage – doch vor dem Viertelfinale gegen England am Sonntag ist man guter Dinge, für eine kleine Sensation sorgen zu können. Mit einem Sieg in Marseille würde die Mannschaft erstmals in der Geschichte das Halbfinale erreichen.

„Solange wir noch mit einem Lächeln spielen, kann uns nichts aufhalten”, sagte Semi Radradra, Spieler in der fidschianischen Nationalmannschaft. „Wir müssen diese Woche genießen, denn diesen Moment werden wir nur einmal erleben können. Wir müssen in diesem Viertelfinale alles aus uns herausholen.“

Genau das wollen auch die Franzosen gegen Südafrika machen. Man müsse „leidensfähig“ sein, sagte Dupont vor dem Spiel gegen eine Mannschaft, die zwei der letzten vier WM-Titel gewann und die in den acht Spielen seit 2009 nur einmal von Frankreich besiegt werden konnte. „Bei solchen Spielen gibt es immer Schmerz, ob es physisch oder mental ist. Wir müssen leiden, denn sonst werden wir nicht dort hinkommen, wo wir hinkommen wollen.“

Das Ziel für die Gastgeber ist nichts anderes als der Turniersieg. Schon dreimal standen die Franzosen im Finale, den Titel konnten sie aber nie gewinnen. Doch wie der Trainer Fabien Galthié am Freitag noch einmal betonte, liege dies, genau wie die Verletzung von Dupont und die vielen Niederlagen gegen den Gegner der Vergangenheit an. Und: „Die Vergangenheit ist nur eine Erinnerung.“