Mafiafilm „Alto Knights“: Der doppelte Pate
Wahrscheinlich hat das Böse niemals besser ausgesehen als in den Nachkriegsjahren. Mafiosi trugen Fedorahüte und eng geschnittene Anzüge mit Einstecktüchern. Unterwegs waren sie in stromlinienförmigen Limousinen. Nie war das Verbrechen fotogener. Kaum jemand ahnte, wie gefährlich und gut organisiert diese Kriminellen waren. Nicht einmal Politiker und Polizisten. Weil sie dafür bezahlt wurden, nichts zu wissen.
Barry Levinsons Mafiafilm „The Alto Knights“ beginnt 1957 in New York. Frank Costello, Oberboss der amerikanischen Cosa Nostra, entsteigt einem Taxi und betritt ein Appartmenthaus, in dem er mit seiner Ehefrau ein Penthouse bewohnt. Als er den Aufzug erreicht, ruft ihm ein Mann zu: „Das ist für dich, Frank“ und schießt ihm in den Kopf. Die Aufzugtür öffnet sich, Costello fällt hinein, der Auftragskiller flüchtet.
Der Film ist nach dem „Alto Knights Social Club“ benannt, den Frank Costello und Vito Genovese als Jugendliche besuchten. Aus Freunden wurden Mobster, wurden Feinde. Genovese gab den Mordanschlag in Auftrag, aber die Kugel prallt am Schädel ab, Costello überlebt. Robert De Niro verkörpert beide, Genovese und Costello. Frei nach Zettels Motto aus Shakespeares „Sommernachtstraum“: „Lass mich den Löwen auch spielen.“
Ein Brutalo mit Brille
De Niro müht sich, seine Schauspielkunst zu entfalten, versucht, beide Rollen voneinander abzugrenzen. Den eruptiven, gewalttätigen Genovese spielt er als Brutalo mit Brille, der mit Gefolge in Kaschemmen hockt oder sich auf den Straßen von Downtown Manhattan sonnt. Costello macht er zum elegant gekleideten Möchtegern-Bourgeois, der mit Schmiergeldern regelt, wer Bürgermeister wird.
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© Warner Brothers
De Niro hat häufig Mafiosi dargestellt, vom „Paten“ über „Casino“ bis zu „The Irishman“. Doch bei Costello und Genovese verschwimmen die Konturen, in ihren Gesten – den gehobenen Armen und vorstoßenden Handkanten – sind sie nicht zu unterscheiden. Nur schwer lassen sich die Figuren erkennen, man sieht immer nur De Niro. Die Doppelbesetzung missglückt.
Nach dem Attentat will Costello aus dem Verbrecher-Dasein aussteigen. Doch vorher, sagt er seiner Ehefrau (Debra Messing), müsse er noch „das hier zu Ende bringen“. Was heißt, dass Genovese nicht triumphieren soll. Der Ausstattungsthriller nach einem Drehbuch des Martin-Scorsese-Kompagnons Nicholas Pileggi („Good Fellas“, „Casino“) gräbt tief hinein in die Mafiageschichte, wirkt stellenweise beinahe dokumentarisch.
Wobei Frank Costello als Erzähler fungiert. Manchmal spricht er direkt in die Kamera, er präsentiert Dias, sein jüngeres Ich ist in Schwarz-Weiß-Rückblenden zu sehen. Aufgestiegen war er mit Alkoholschmuggel während der Prohibition, ein Riesenbusiness. Als Genovese vor einer Doppelmord-Anklage nach Italien flüchtet, übernimmt Costello dessen Posten als Pate. Eigentlich vorübergehend, doch dann kommt der Zweite Weltkrieg dazwischen.
Faszination des Vergangenen
Barry Levinson besitzt ein Gespür für die Faszination des Vergangenen. Sein Coming-of-Age-Drama „Liberty Heights“ (1999) war eine Hommage an die eigene Jugend in Baltimore. Auch in „Alto Knights“ gelingen ihm einige grandiose Szenen. Etwa, wenn er den Aufstieg der Mafia mit einem Schlagzeuggewitter aus Benny Goodmans Jazzstandard „Sing, Sing, Sing“ illustriert.
Oder wenn er den rasend eifersüchtigen Genovese scherenschnittartig hinter einem zum Trocknen aufgehängten Bettlaken einen vermeintlichen Nebenbuhler töten lässt – und im Gegenschnitt zeigt, wie der hitzköpfige James Cagney im Film-noir-Klassiker „White Heat“ einen Mann ermordet.
„Alto Knights“ ist altmodisch inszeniert, Zeitgeschichte wird nachgestellt. Dazu gehören die gegen die Mafia gerichteten Kefauver-Hearings (1950/51), eine Anhörung vor dem US-Senat, die erstmals live im Fernsehen übertragen wurde. Genovese verweigert die Aussage und beruft sich auf den 5. Zusatzartikel der Verfassung. Costello kooperiert und gerät in die Bredouille.
Der Film endet mit dem Apalachin-Meeting (1957), einer Zusammenkunft, bei der sich fast alle Bosse der Cosa Nostra in einem Provinznest treffen. Als ein Streifenwagen auftaucht, geraten die Mobster in Panik und steigen in ihre Autos.