Komödie am Renaissance-Theater: Die Herren Bänker müssen blechen
Das Renaissance-Theater steht heute zu Recht unter Denkmalschutz. Es ist nicht nur die einzige vollständig erhaltene Art-Déco-Bühne Europas, sondern auch ein echtes Schmuckkästchen. „Im Zuschauerraum, auf den letztendlich alle vorderen Räume verweisen, besticht den Gast neben der Bekleidung aus rötlichem Rosenholz und der dekorativen Formenvielfalt besonders ein großflächiges Intarsien-Wandbild von César Klein mit Motiven der Commedia dell’Arte.“ So stand es kürzlich in einer Pressemitteilung des Hauses, die darauf hinwies, wie in diesem Bau von Oskar Kaufmann „geschwungene, florale Motive mit strengeren, geraden Elementen“ harmonieren.
Weshalb die architektonische Lehrstunde? Zum einen, weil das Theater kurz vor seinem 100. Geburtstag steht – da lohnt sich immer ein Blick in die Geschichte (am 29. Oktober große Gala!). Zum anderen, weil Intendant Guntbert Warns zur Eröffnung der Jubiläumsspielzeit das Stück eines Mannes ausgegraben hat, der auch erfolgreicher Architekt war. John Vanbrugh zeichnet für Blenheim Palace verantwortlich, Geburtsort von Winston Churchill.
Der 1664 geborene Sohn eines Londoner Stoffhändlers hatte ein bewegtes Leben: Vanbrugh war als Undercover-Agent tätig, reüssierte im Kit-Cat Club neben John Locke (ein politisch-liberaler Verein, nicht wesensverwandt mit dem Berliner Amüsierbetrieb) und setzte die Leitung eines eigenen Theaters in Haymarket in den Sand. Das alles erfährt man im Programmheft zum Stück „Das Halsband“, das Warns selbst inszeniert hat.
Als Dramatiker ist Vanbrugh hierzulande in Vergessenheit geraten. Von ihm stammen Stücke wie „Der Rückfall“ oder „Die provozierte Ehefrau“, über die sich Ende des 17. Jahrhunderts angeregt debattieren ließ, weil sie keinen Tugendbeipackzettel mitliefern wollten, sondern das moralische Urteil den Zuschauer:innen überließen. Im „Halsband“ geht es um zwei alte Banker – Mr. Gripe und Mr. Moneytrap – die ein Auge auf die Frau des jeweils anderen geworfen haben. Clarissa (Svea Bein) und Araminta (Ivy Lißack) machen sich die libidinösen Aufwallungen mit Hilfe der flotten Zofe Flippanta (Jacqueline Macaulay) zunutze, um beide ordentlich blechen zu lassen.
Eine weitere Storyline erzählt von der windigen Geschäftsfrau Mutter Amet (Manal Raga a Sabit). Deren dummdreister Sohn Dick (Julian Sinclair Jäckel) macht Corinna (Johanna Asch) Avancen, Mr. Gripes Tochter aus erster Ehe, während Sidekick Brass (Daniel Warland) – zuvor von Dick untergebuttert – nur darauf wartet, die Machtverhältnisse zum eigenen Vorteil zu wenden.
Man merkt schon: Es geht hier viel um Geld und Gewinn. Wofür auch das titelgebende Halsband steht, das im Laufe des Stücks verpfändet, gestohlen, getauscht und zum Kauf angeboten wird. Was allerdings so nachvollziehbar vonstatten geht wie der Rest der wirren Geschichte.
Als „Post-Renaissance-Komödie“ labelt Warns seine Inszenierung, die mit exaltierten Kostümen, farcehaften Puppen (Mr. Gripe und Mr. Moneytrap sind aus Schaumstoff) sowie einem dem Denken stets vorauseilenden Sprechtempo darüber hinweg zu tragen versucht, dass Vanbrughs Vorlage trotz aller „Geiz ist geil“-Heutigkeit nicht eben den Nerv der Zeit zu kitzeln vermag.
Der Abend erinnert an Shakespeare-Aufführungen im Freilufttheater, wo die Liebeshändel so volkstümlich hingebrettert werden, dass man vor lauter Amüsierbefehl den Faden verliert. Ein großer Pluspunkt: „Das Halsband“ lässt viel Zeit, die herrliche Architektur im Renaissance-Theater zu bewundern. (Wieder: 12.-16.10., 30.+ 31.10.)
Zur Startseite