„Harter Psücharter“ von Ralf König: Neue Geschichten mit Konrad und Paul
Skandal, Skandal! Paul war beim Ledertreffen in Berlin und hatte keinen Sex. Zurück in Köln ist sein Ego mächtig angekratzt, die Freunde besorgt, selbst sein Mann Konrad erkennt den Ernst der Lage. Dessen Analyse fällt allerdings schonungslos aus: „Zu Alter und Sexualität hast du keine gesunde Einstellung! Du solltest wirklich mal mit jemand Professionellem reden.“ Paul behauptet, das habe er schon getan, womit er allerdings Sexarbeiter meint und keine Therapeut*innen wie Konrad.
Das ist die Ausgangslage in der Geschichte „Queer Pride“ aus Ralf Königs neuem Band „Harter Psücharter“, der zwei lange und zwei kurze Geschichte rund um zwei seiner beliebtesten Figuren erzählt. Widerwillig lässt sich Paul schließlich auf die von Konrad empfohlene Therapeutin ein, folgt aber auch dem Rat eines Freundes, es mal mit dem Kerl zu probieren, der seine Dienste unter dem Namen „Harter Psücharter“ auf einer Sexplattform anbietet. Das führt zu höchst unterschiedlichen Therapie-Situationen, die Paul zwar nicht wirklich weiter bringen, sich aber ungemein unterhaltsam lesen.
Zu Hause gibt es derweil eine unverhoffte und sehr süße Entwicklung: Seit Konrad ein Smartphone hat, entdeckt er, wie viel Musik er damit plötzlich hören kann. Als er einmal Duke Ellington über die Anlage spielt, steckt Paul erfreut den Kopf in die Tür. Er staunt, dass Klassik-Liebhaber Konrad auch Jazz mag. Während sie gemeinsam lauschen – die Noten sind als bunt-fröhliche Smileys gezeichnet – verabredet sich das Paar zu einem wöchentlichen Termin, an dem sie gemeinsamen Musikhören. Was Paul bald in Terminprobleme bringt …
In Teilen liest sich die Geschichte wie eine Fortschreibung des Bandes „Herbst in der Hose“ von 2017, der rund um Pauls 50. Geburtstag spielte. Hatte er damals bereits mit dem Älterwerden zu kämpfen – Stichwort: Andropause – tut er sich diesmal schwer damit, bald 60 zu werden. Selbst gute Freunde dürfen die Zahl nicht aussprechen.
Darüber hinaus macht „Queer Pride“ mit dem Generationskonflikt innerhalb der LGBTIQ-Community noch ein weiteres Thema auf, womit sich der 63-jährige Ralf König auf ein für ihn eher ungewohntes Terrain begibt, das er aber äußerst gelungen bespielt: Durch Pauls Neffen Cäsar, der seine Onkel besucht, kommen die beiden erstmals näher in Kontakt mit dem Thema Non-Binarität. Denn Cäsar ist verliebt in die non-binäre Person Leo (Pronomen: dey), von der er ausgiebig erzählt und die später zusammen mit zwei Freund*innen auch noch bei Konrad und Paul vorbeikommt.
Von den Jungen erhalten sie Gratisunterricht in der Verwendung von Neopronomen und bilden sich von ihnen angeregt in Sachen Genderidentität fort. Allerdings hat vor allem Konrad, den König zum leicht bockigen Repräsentanten des alten weißen Schwulen macht, so seine Probleme mit der queeren Vielfalt. Einmal sagt er: „Ich verstehe trans Männer und trans Frauen. Aber bei genderfluid-abrosexuell komme ich an meine Grenzen …“ Worauf Paul mit einem der genialsten Sätze des neuen Bandes antwortet: „Mach dir keine Gedanken, bei mir hört’s schon bei hetero auf!“
Orgie im Badezimmer
Für die non-binären Gäste sind Konrads Thesen („Es gibt nur zwei Geschlechter“) zwar teils schwer erträglich, doch lässt Ralf König die Wohnzimmergespräche nicht ins Bittere oder Böse kippen. Als es den jungen Leuten zu cisnormativ wird, hauen sie einfach ab.
Auf Facebook, wo der Zeichner die Geschichte zuerst veröffentlichte, gab es rund um diese Figuren Aufregung in den Kommentarspalten, wie König auf seiner Website schreibt. Gut, dass er sich davon unbeeindruckt zeigt, denn die Episode vermittelt sowohl das Unverständnis zwischen den Generationen, als auch die Idee, dass man voneinander lernen – oder sich zumindest aushalten kann.
In der zweiten längeren Geschichte mit dem Titel „Bear Pride“ ist Ralf König dann wieder ganz in seiner Welt. Angeregt von einem Schwulentreffen in Köln, schickt er darin niederländische Gäste zu Konrad und Paul, lässt eine kleine Orgie im Badezimmer stattfinden und seine Protagonisten seltsame Trips erleben. Wobei es Paul lustigerweise nie aus der Wohnung schafft und Konrad einen Konzertbesuch der anstrengenden Art erlebt. Auch diese höchst vergnügliche Episode ist zuerst auf Facebook als klassischer Daily Strip erschienen. Die jeweils vier Panels bilden nun eine Seite, was zu einer hohen Pointendichte führt.
Ralf König hatte mit diesem Facebook-Format während der Corona-Lockdowns begonnen. Der Konrad-und-Paul-Band „Vervirte Zeiten“ von 2021 versammelte diese Folgen, die die Pandemie aus schwuler Perspektive quasi live mitverfolgten. Im „Harten Psücharter“ sind Masken, Mindestabstände und Virusleugner in weite Ferne gerückt. Keine Knollennase hat Long Covid – und ihr Zeichner ist in Höchstform. Hoffentlich legt er bald wieder los mit den Facebook-Strips.