Grütters: “Die Generaldirektion halten wir für verzichtbar”
Für „nicht reformierbar in ihrer jetzigen Reform“ hält der Wissenschaftsrat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und empfahl vor einem Jahr die Auflösung des Stiftungsdachs, unter dem Berlins Staatliche Museen mit der Musikforschung, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv und das Ibero-Amerikanische Institut vereint sind. Kritisiert wurden vor allem die Museen, wegen tief gestaffelter Hierarchien und mangelnder Publikumsattraktivität. Zur dann berufenen Reformkommission gehören neben Kulturstaatsministerin Monika Grütters vier Länder-Kulturminister:innen, SPK-Präsident Hermann Parzinger und sein Vize Gero Dimter sowie rotierend je eine Leitung der betroffenen Einrichtungen. Die am Donnerstag publizierten Eckpunkte der Kommission sehen von einer Auflösung des Dachs ab, empfehlen aber einmal mehr eine größere Eigenständigkeit für die Museen. Darin sind sich alle einig, dennoch zieht sich der Reformprozess.
Frau Grütters, nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor einem Jahr folgen nun die Empfehlungen der Reformkommission. Warum wieder nur Empfehlungen, wieder verbunden mit Prüfaufträgen, etwa zur Frage, wie die Museen selbstständiger agieren können. Der Wissenschaftsrat hatte seit 2018 analysiert, wo es hakt. Wird das eine Endlosschleife?
Eine hochrangig besetzte Kommission, die über die Parteigrenzen hinweg und noch dazu in der Corona-Zeit nach nur sechs Sitzungen zu einem gemeinsamen Beschluss kommt, ist erst einmal ein Lob wert. Letztendlich entscheidet der Stiftungsrat, deshalb kann die Kommission ja nur empfehlen. Laut Satzung kann nur der Stiftungsrat Änderungen bei sich und den von ihm verantworteten Einrichtungen in die Wege leiten. Dafür hat er jetzt eine sehr gute Basis, denn inhaltlich sind die Positionierungen der Reformkommission ja klar und eindeutig.
Der Wissenschaftsrat empfahl die Auflösung des Präsidiums und der Dachorganisation. Warum sieht die Reformkommission das anders?
Die Auflösung der Dachorganisation war für den Wissenschaftsrat kein Selbstzweck, sondern dient dem Ziel, die einzelnen Einrichtungen in ihrer Eigenständigkeit und Selbstverantwortung zu stärken. Das genau ist auch das zentrale Anliegen der Reformkommission. Wir halten dafür die Auflösung des Stiftungsverbundes nicht für nötig oder sinnvoll, sondern fordern die Häuser zu viel mehr Zusammenarbeit unter einem Stiftungsdach auf. Neil MacGregor hat als einer der Gründungsintendanten des Humboldt Forums einmal gesagt, es gebe weltweit vier Orte, die allein mit ihren Museumssammlungen die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit erzählen können: London, Paris, New York und Berlin. Nur Berlin mache daraus zu wenig, obwohl die 15 Museen sogar unter einem Dach sind. Deshalb habe ich die Reform angestoßen – und es wird unter diesem Dach nun sehr viel geändert.
Was genau?
Die Generaldirektion der Museen als mittlere Ebene halten wir für verzichtbar. Auch die Hauptverwaltung wird nicht als übergeordnete Instanz, sondern als Partnerin und Servicestelle gebraucht. Wir wollen den einzelnen Häusern deutlich mehr Entscheidungsrechte in Personal- und Budgetfragen geben. Allein das zu ändern, ist ein beinahe revolutionärer Akt, wenn man bedenkt, dass selbst Leihverträge einzelner Museen bisher von der Generaldirektion unterschrieben wurden.
Anstelle der jetzt noch mit Michael Eissenhauer besetzten Generaldirektion wollen die Museen sich in Clustern zusammentun, die wiederum jeweils mehrere Sprecher haben sollen. Ein Gremium anstelle eines Chefs, wo ist da die Verschlankung?
Die Cluster-Idee kam aus der AG Museen, die Reformkommission dagegen hat hier Zweifel, denn die Häuser sollen ja endlich eigenverantwortlich handeln. Deshalb wird dieser Vorschlag von Organisations-Experten noch einmal überprüft.
Okay, eine Stufe in der Museums-Hierarchie soll verschwinden. Dafür soll dem Präsidium ein „Kollegialorgan“ zur Seite gestellt werden. Wieder ein zusätzliches Gremium.
Eine einsame Präsidentin oder Präsident, zuständig für 2000 Beschäftigte in rund 20 Häusern, nur zum Zweck der Verschlankung − das macht weder Sinn noch ist es zeitgemäß. Im Kollegialorgan dagegen werden die Einrichtungen und auch das neue Servicezentrum repräsentiert sein, das für Personalverwaltung, Bauvorhaben, Digitalisierung und ähnliches zuständig sein wird.
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Im Übrigen sollte die Reformkommission ja keine kleinteiligen Verwaltungsstrukturen entwickeln, sondern eine politische Entscheidung darüber treffen, wie der Gründungsgedanke dieses Traditionsverbundes mit seinem aus ganz Deutschland zusammengetragenen Kulturerbe ins 21. Jahrhundert gerettet werden kann. Die Bestände haben sich in bald 65 Jahren übrigens fast verdoppelt und gehen über den einstigen „preußischen Kulturbesitz“ weit hinaus. Empfiehlt es sich, diesen Verbund und auch den Namen der Stiftung zu bewahren? Wir sind der Meinung: Ja, aber in deutlich veränderter Form: mit dezentraler Verantwortung, mit mehr gemeinsamer, vernetzter Forschung und Ausstellungszusammenarbeit, und vor allem mit einer offensiven Publikumsorientierung.
Das heißt konkret?
Die Grundfrage lautet doch: Wie löst die SPK ihre Bringschuld gegenüber ihrem Publikum und letztlich gegenüber dem ganzen Land ein? Da sieht die Reformkommission viel Luft nach oben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wann gab es zuletzt Ausstellungen, die auch außerhalb Berlins Aufsehen erregt haben und auch andernorts in Deutschland gezeigt wurden? Die SPK kann und muss auch im Ausland deutlich mehr Strahlkraft als bisher entwickeln.