Flammende Wiedersehensparty in Berlin

Der Buckingham Palast verwandelt sich in ein Flammenmeer, während ein 80- köpfiges Orchester den Chor in jubilierende „Oh-ho-ho-ho“-Höhen trägt – das war sicherlich einer der majestätischsten Momente beim Thronjubiläumskonzert von Queen Elizabeth II. kürzlich in London. Gesetzt hatte ihn Alicia Keys mit ihrem Song „Girl On Fire“, den sie in schwarzem Cape mit Goldapplikationen aufführte.

Wer nun annahm, dass die US-amerikanische Musikerin nach dieser Performance vielleicht Motivationsprobleme auf ihrer eigenen Tour haben könnte, wird am Dienstagabend bei ihrem Konzert in der Berliner Benz-Arena allerspätestens bei „Girl On Fire“ eines Besseren belehrt.

Zwar leuchtet hier nur ein verhältnismäßig kleiner Feuerball auf der Leinwand, doch die Sängerin wirft sich mit ihrer kompletten Stimmpower in den Refrain – und wird dabei von einem deutlich lauterem und leidenschaftlicheren Publikum begleitet als in London. Statt auf ein paar lasch geschwenkte Union-Jack-Fähnchen der Königsfamilie blickt Alicia Keys jetzt auf eine wogende Masse winkender Arme.

Sie spielt im Stehen an ihrem Flügel

Der Song mit dem Gewitterdonner- Schlagzeugauftakt ist ein Höhepunkt der zweistündigen Show, die von Beginn an enormen Zug hat und auf einen wuchtigen Sound setzt. Die ersten drei Songs lassen Keys und ihre fünfköpfige Band direkt ineinander übergehen. Es erinnert an eine Leistungsshow, wenn sie kurz darauf den entspannten Reggae-Groove von „Waste Energy“ mit dem bollerigen Beat von „Time Machine“ hinwegfegen, der Gitarrist ein raues Riff raushaut und Alicia Keys zum Finale zum Moog-Synthesizer an der Bühnenkante eilt, um ihm wabernde Space-Sounds zu entlocken.

Diese ersten 45 Minuten werden dominiert von Stücken aus dem starken 2020er-Album „Alicia“. Doch die Sängerin scheint ihnen nicht ganz zu trauen. Sie präsentiert sie größtenteils in kondensierten, verschmolzenen Versionen und wirkt stets ein wenig gehetzt, wenn sie im Stehen für ein paar Takte auf ihrem Flügel spielt, der zwischen den Liedern wie von Geisterhand bewegt die Position wechselt.

Bei ihrem alten Schmachtfetzen „Diary“ nimmt sich die 41-Jährige erstmals richtig viel Zeit – und lässt die Temperatur in der schnöden Mehrzweckhalle sofort um einige Grade ansteigen.

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So könnte es gern weitergehen, tut es aber nicht. Denn Alicia Keys verschwindet von der Bühne und erscheint – nach einem Kostümwechsel nun in Glitzerbody und mit glänzender Strumpfmütze – auf einem kleinen Podest in Mitte der Arena wieder.

Umringt von Piano, Synthie und Drummachine führt sie einen Wettbewerb mit Liedern ihres letzten Albums „Keys“ auf: Sie spielt abwechselnd Schnipsel der akustischen „Originals“ und der elektronischen „Unlocked“-Versionen. Die Fans stimmen per Applaus darüber ab, welche ihnen besser gefällt.

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Das nimmt zwar komplett den Flow aus der Show, aber Alicia Keys hat Spaß und haut immer wieder begeistert auf den Knopf mit dem fiesen Tröten-Signal. Sie will Party – von ihrer politischen Seite, etwa ihren Black-Lives-Matter-Songs, hört man an diesem Abend nichts.

Dafür hebt die Party tatsächlich ab, als Keys durch den Innenraum zurück zur Bühne geht und mit der Menge ihre Version des Jay-Z-Duetts „Empire State Of Mind“ singt, wobei sie „New York“ zwei Mal mit „Berlin“ ersetzt. Ab hier ist Greatest-Hit-Zeit: „Girl On Fire“, „Superwoman“, „Fallin’“, „Underdog“ und schließlich „No One“ – alles dabei im fulminanten letzten Drittel, in das die Band sogar ein House-Segement einbaut. Alicia Keys tanzt, als sei sie in einem Club.

Niemanden hält es mehr auf den Sitzen. Es ist eine gelungene Wiedersehensfeier, die von zwei intimen Zugaben abgerundet wird. Und draußen läuft noch die Fête des längsten Tages.