Einspringen und mitreißen

Aller Anfang ist schwer, besonders während einer Pandemie, die das Sammeln praktischer Erfahrung lange unmöglich gemacht hat. Umso mutiger ist es, unter diesen Bedingungen eine der anspruchsvollsten Opern aufzuführen, die es gibt. Die Universität der Künste geht mit ihrer ersten Opernproduktion des Jahres das Wagnis ein. In Kooperation mit den Studiengängen Kostüm- und Bühnenbild der Kunsthochschule Weißensee bringt der Studiengang Gesang/Musiktheater Mozarts „Le Nozze di Figaro“ auf die Bühne.

Leider fielen während der Endproben, so wichtig für das Zusammenfinden von Bühne und Orchester, vier Sänger*innen aus. Noch kurz vor der Premiere musste die fünfte Sängerin absagen, glücklicherweise sprang Maria Rüssel von der Zweitbesetzung als Cherubino für sie ein.

Man merkt dem Abend das Unfertige an. Für ein Stück wie “Le Nozze di Figaro”, bei dem das Ensemble sich aufeinander verlassen muss, ist jeder Probenausfall fatal. Zwischen den Sänger*innen und dem (konstant zu lauten) Symphonieorchester der UdK unter Errico Fresis besteht deshalb wenig Zusammenspiel, vieles geht daneben. Warum kein echtes Cembalo eingesetzt wird, bleibt ein Rätsel, zumal es zur lautmalerischen Untermalung eingesetzt wird. Die elektronischen Klänge tragen nicht zur Verbesserung der Klangqualität bei.

Isabel Hindersins Regiekonzept erschöpft sich allzu oft in unmotiviertem Gestikulieren ohne deutliche Personenführung. Auch die von ihr hinzuerfundene Figur „Puck“ wird inkonsequent eingesetzt und fügt der Handlung keine weitere Bedeutungsebene hinzu. Was den Abend rettet, ist die trotzige Spielfreude aller Beteiligten. Die Sänger*innen, von denen die meisten mit diesem Abend ihre Abschlussprüfung ablegen, bringen eine Lebendigkeit auf die Bühne, die sie hoffentlich auf ihrem weiteren Berufsweg begleitet.

[Wieder am 12. und 13. Juli. Auch als Livestream auf www.livestream.udk-berlin.de]

Kento Uchiyama ist ein lebendiger Figaro, und Sungbin Kim ragt als Graf Almaviva durch Stimm- und Bühnenpräsenz heraus. Laura Albert (Gräfin Almaviva) hat einige Intonationsprobleme, verkörpert ihre aber Rolle glaubhaft.

Das Publikum im coronabedingt nur halb besetzten Theater Uni.T dankt mit tosendem Applaus und standing ovations. Gesangstechnisch haben alle Sänger*innen gewiss noch Wege zurückzulegen. Dass sie sie gehen werden, steht aber außer Frage. Ein Theaterspruch dazu: „Ein Stück ist nie wieder so schwer wie beim ersten Mal!“