Curtius und Koch wollen Keller fallen sehen
Alte, weiße Männer sind in letzter Zeit ziemlich in Verruf gekommen. Sicher oft zu Unrecht. Aber bestimmt ist so manches Vorurteil nicht unbegründet. Da gibt es zum Beispiel den Deutschen Fußball-Bund, kurz: DFB. Ihn zeichnet aus, dass er in seiner 121 Jahre alten Geschichte ausschließlich von weißen, und fast immer auch von alten Männern angeführt worden ist. Wo das hinführt: Falsch verstandene Loyalitäten, Machtkämpfe, endlose Streitereien bis hin zu schmutzigen Kampagnen gegen die Antagonisten.
Aktuell ist der Mann an der Spitze Fritz Keller, 64 Jahre alt und angetreten mit dem hehren Ziel, den Laden etwas durchzulüften. Es gibt auch viel zu tun im deutschen Fußball. Es fehlen Frauen in Führungspositionen, die Nationalmannschaft (der Männer) zieht nicht mehr und dann ist da immer noch die Aufarbeitung des Sommermärchens, dessen Zustandekommen total unromantisch war.
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Doch Keller ist wohl schon am DFB abgeprallt, bevor er auch nur eine dieser Aufgaben wirklich angehen konnte. Am Dienstag hagelte es Rücktrittforderungen von Kommentatoren, aber auch einige Fußball-Regionalverbände rückten vom DFB-Präsidenten ab. Keller hatte am vergangenen Freitag in einer Sitzung des DFB-Präsidiums den Vizepräsidenten Rainer Koch mit dem grausamen Nazirichter Roland Freisler verglichen. DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius soll den Vorfall an die Ethikkommission des Verbandes weitergeleitet haben. Es dauerte nicht lange, bis die „Bild“ und der „Spiegel“ von dem Nazivergleich erfuhren. Keller entschuldigte sich bei Koch. Doch entgegen den Aussagen des Verbandschefs hat Koch die Entschuldigung bisher nicht angenommen.
Bei all dem muss man wissen: Keller auf der einen Seite sowie Koch und Curtius auf der anderen liefern sich seit Monaten einen erbitterten Machtkampf, der selbst für DFB-Verhältnisse heftig ist. Für Keller könnte diese grandiose Dummheit das Ende seiner Präsidentschaft bedeuten. Immer mehr wenden sich wie Bernd Schultz vom Berliner Fußball-Verband (BFV) von ihm ab. „Ich bin erschüttert über die Wahl des Vergleichs. Das ist nicht hinnehmbar“, sagte Schultz dem Tagesspiegel. So könne man mit Menschen nicht umgehen. „Letztlich muss aber Koch entscheiden, ob er die Entschuldigung annimmt“, so Schultz weiter.
Keller will aber nicht klein beigeben. „Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich werde die Aufräumarbeiten, für die ich zum DFB geholt und mit 100 Prozent der Stimmen auf dem Bundestag gewählt wurde, zu Ende führen“, sagte er am Dienstag der „Bild“-Zeitung“. Für ihn ist die Schlacht im DFB noch nicht vorbei.
Keller dürfte sein Amt kaum halten können
Vieles spricht dafür, dass Keller den Nazivergleich nicht mehr eingefangen bekommt. Da ist die Öffentlichkeit, die die Querelen an der Verbandsspitze schon lange kritisch betrachtet. Außerdem haben die Fußball-Landesverbände genug von dem Treiben an der Spitze. „Wie die Verbandsführung wahrgenommen wird, belastet auch die Landesverbände“, sagte BFV-Präsident Schultz. Und von den Rivalen Curtius und Koch braucht Keller in dieser Affäre nicht auf Unterstützung hoffen. Im Gegenteil, sie wollen ihn fallen sehen.
Es wäre das Ende mit Schrecken einer von Anfang an unheilvollen Zusammenarbeit. Keller nahm für den Geschmack vieler im Verband etwas zu ostentativ die Rolle des Aufräumers ein. So standen im Herbst vergangenen Jahres Staatsanwälte und Steuerfahnder wegen des Vorwurfs auf Steuerhinterziehung vor der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main. Keller distanzierte sich schnell von den führenden hauptamtlichen DFB-Angestellten um Curtius. Als dann die Beschuldigten entlastet wurden, sprach Keller plötzlich von einer „unangemessenen behördlichen Vorgehensweise“. In einem Verband, in dem Loyalität eine (zu) wichtige Rolle spielt, kommt so etwas überhaupt nicht gut an.
Hinzu kam der ewige Streit zwischen Keller und Curtius, den beide auch in aller Öffentlichkeit austrugen. Keller direkt über die Medien, Curtius über Bande vermutlich mit Hilfe des Medienberaters Kurt Diekmann. Keller geriet in den vergangenen Monaten medial genauso unter Beschuss wie sein Vorgänger Reinhard Grindel. Es war eine ähnliche Geschichte: Grindel war herrisch und unbedarft wie Keller; und er stolperte über eine grandiose Dummheit, indem er eine Luxusuhr eines ukrainischen Oligarchen annahm. Und: Grindel war sowohl bei Koch wie auch bei Curtius nicht gut gelitten. Vermutlich wollten die beiden ihn loswerden, wie sie nun Keller loswerden wollen. Sollte ihnen das gelingen, wären die beiden vielleicht gut beraten, selbst den Weg frei zu machen für neue Männer oder, noch besser, Frauen an der Spitze des deutschen Fußballs.