Ein Pionier der Kunstwelt
Vielen galt er Zeit seines Lebens als Enfant Terrible der Galeriewelt. Nach der Insolvenz war es in den vergangenen zwei Jahren ruhig um den Galeristen Michael Schultz geworden. Betrugs- und Fälschungsvorwürfe hatten ihm zugesetzt. Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb er am vergangenen Dienstag. Schultz wurde 70 Jahre alt und hinterlässt zwei Kinder.
An die zahlreichen Begegnungen erinnere ich mich gut. Oft saß er mit seiner gewaltigen Erscheinung hinter dem Schreibtisch, unbeweglich, aber mit dem Griff immer zum Handy. Sein Ton jovial, immer leise redend, seine Wortwahl geschliffen und nur die Augen verrieten seine Freude darüber, das Gegenüber zu unterhalten.
Ein Freigeist, wohl aber mit einer Attitüde zum Dandyhaften und dem Credo des „Höher, Besser, Weiter“. Zahlreich kamen sie. Unter ihnen Sammler oder solche, die es werden wollten. Alle fühlten sich persönlich betreut, gut unterhalten und suchten lange Zeit seine Nähe. Legendär wurden seine regelmäßigen „Petrus“-Veranstaltungen. So sonnten sich nicht nur gesellschaftliche Größen wie Wolfgang Joop, sondern auch Politprominenz Gerhard Schröder, Guido Westerwelle oder Ronald Pofalla im Licht seines Erfolges.
Markige Sprüche und ein Sinn fürs Geschäft
Auch an Gespräche über seinen Berufsstand erinnere ich mich. Mit seiner ureigenen Sicht der Dinge: „Wir kommen zuletzt! Ferraris, Rolex und Pelze zuerst, denn die sind auf der Straße sichtbar. Aber die Kunst hat das Manko, zu Hause zu hängen, dort also, wo man in aller Öffentlichkeit zunächst nicht damit angeben kann, egal ob dort van Gogh oder Gerhard Richter hängt“.
Mit Letztgenanntem verband ihn bereits seit den 1980er Jahren seine Rolle als Kunsthändler, die ihren Endpunkt darin fand, dass 2019 wegen der Fälschung eines abstrakten Gemäldes von Gerhard Richter in seinem persönlichen Umfeld ermittelt wurde. Zur Eröffnung eines Verfahrens ist es bis heute nicht gekommen.
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Neben markigen Sprüchen waren es vor allem sein Geschäftssinn und die Liebe zur Kunst, die ihn erfolgreich werden ließen. In Freudenstadt geboren, ging Schultz 1974 für das Studium nach Berlin. Er war Chefredakteur des KUNST-Magazins und Geschäftsführer der trendsetzenden Michael Wewerka Galerie. Seit der Eröffnungsausstellung mit einer Einzelpräsentation Le Corbusiers in seiner Galerie Michael Schultz in der Mommsenstraße im Jahr 1986 setzte er eigene Akzente. Es sollte eine 33-Jahre währende Leidenschaft werden, er machte Künstler wie A.R. Penck, Norbert Bisky oder SEO groß.
Er scheute weder Kosten noch Mühen
Schultz galt bis zum großen Finanzcrash durch die Insolvenz des amerikanischen Bankhauses Lehman Brothers im September 2008 im Kunstmarkt als Trendsetter. Hatte er sich doch bereits 2006 zu einer Dependance in Seoul entschlossen, lange bevor der Salzburger Top-Galerist Thaddaeus Ropac jüngst verkündete: „Seoul ist das neue Hongkong“. Und auch mit einer Niederlassung in Peking ein Jahr später versuchte Schultz den im Entstehen begriffenen chinesischen Kunstmarkt mit europäischer und amerikanischer Kunst zu bedienen.
Michael Schultz scheute weder Mühen noch Kosten. Er zeigte Joseph Beuys oder Sigmar Polke zuerst in China. Eine Pionierleistung, die sich nicht rechnen konnte, aber wieder einmal den mutigen Visionär auf den Plan rief. (Der Autor dieses Nachrufs ist Kurator und Leiter des Europäischen Kunstvereins.)