Die Spuren auf den Masken
Dieses Bild sagt alles über das letzte Jahr. Die Krankenschwester Adriana Silva da Costa Souza umarmt zum ersten Mal nach fünf Monaten die 86-jährige Rosa Luzia Lunardi.
Beide greifen dabei in die Kunststoffarme im Vorhang und umarmen sich, und doch bleiben sie durch den „Hug Curtain“ voneinander isoliert. Aber der Kontakt ist da.
Dieses bewegende Foto hat der dänische Fotograf Mads Nissen in einem Pflegeheim in São Paulo aufgenommen, in der Kategorie Allgemeine Nachrichten wurde es zum World Press Photo des Jahres gekürt.
Nach 2015 ist Nissen schon zum zweiten Mal ausgezeichnet worden. Empathie sei am wichtigsten für ihn, sagte er bei der Eröffnung der Ausstellung im Willy-Brandt-Haus, in dem zum 18. Mal die prämierten Fotos dieses einzigartigen Wettbewerbs ausgestellt sind. (Stresemannstr. 28, bis 24.10.; , Di bis So 12-20 Uhr. Zeitfenster-Ticket: www.fkwbh.de)
Bei 74 500 Fotos aus 130 Ländern hatte die Jury die Qual der Wahl, 45 Preisträger in verschiedenen Kategorien zu ermitteln. Entstanden ist eine Chronik des Jahres. Corona ist das alles beherrschende Thema, von der Verlegung von Intensivpatienten in einem TGV-Zug in Frankreich bis hin zu der Nahaufnahme einer Ärztin aus Mexiko, bei der die Masken vom Dauereinsatz blutige Spuren im Gesicht hinterlassen haben.
Die Bilder entfalten ihre Macht
Szenen von der deutsch-schweizerischen Grenze, die längst überwunden schien, hat Roland Schmid eingefangen. Durch die monatelange Schließung wurde die fast unsichtbare Grenze wieder präsent und trennte die Menschen, die nur noch auf Abstand miteinander reden konnten.
Aber auch die Kriege dieser unfriedlichen Welt spiegeln sich in diesem Wettbewerb, Jemen und Irak, aber auch neu entflammte und fast schon wieder aus den Schlagzeilen verdrängte Konflikte wie der um Berg Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan. Ein weiterer Themenkomplex: Umweltzerstörung und Klimawandel.
Beeindruckend sind die Fotos des slowenischen Fotografen Ciril Jazbec. Sie erzählen von künstlichen Eis-Stupas, die durch Wasser von schmelzenden Gletschern des Himalayas mit Hilfe von senkrechten Wasserrohren in Ladakh angelegt werden. Im Verlaufe des Frühjahrs schmelzen auch sie langsam und bewässern das karge Land – das ist eine gute, einfache Idee, dem Klimawandel zu trotzen.
Im Atrium des Willy-Brandt-Hauses sind überdies Fotos des Global Peace Photo Award ausgestellt, alles Bilder, die zeigen, wie sich Menschen Frieden vorstellen. Bilder entfalten Macht und Wirkung, das unterstreichen beide Ausstellungen.