„Die sind alle super stolz auf mich“: So erlebte eine Berliner Athletin die Special Olympics
Daniela Huhn strahlt, als sie sich noch einmal ihre Medaille von den Weltspielen umhängt. Fast ein halbes Jahr ist vergangen, seit sie bei den Special Olympics World Games in Berlin Einzelgold im Badminton gewann. „Am vorletzten Tag der Spiele Gold zu holen, das war eine tolle Überraschung.“ Die 47-jährige Berliner Athletin spricht aber zuerst von ihrer Freude, überhaupt für das internationale Sportereignis nominiert worden zu sein und die Spiele mit ihrer Unified-Teamkollegin Andrea Eichner und ihrem Mixed-Partner Kevin Geffers erleben zu dürfen. Sowohl im Unified-Doppel als auch im Mixed-Doppel erreichte Huhn mit ihren Partner:innen einen vierten Platz.
Auch wenn Andrea Eichner, 51, sich keine Medaille von den Weltspielen umhängen kann, so erinnere sie sich dennoch an einen wunderschönen Sommer. Die Stimmung und die Atmosphäre hätten ihre Erwartungen übertroffen: „Es war beeindruckend. Wir haben uns die gesamte Zeit über sehr wohlgefühlt“, erzählt sie. Schon am ersten Tag, beim Einzug in das Athlet:innenhotel, seien die beiden mit Sportler:innen der anderen Länder in Kontakt gekommen. „Es war immer eine so positive Stimmung“, erzählt Eichner. Vor allem beim Warten auf den Fahrstuhl seien sie schnell untereinander ins Gespräch gekommen, „das war wirklich sensationell.“ Auch von den Berliner:innen hätten Huhn und Eichner viel Zuspruch bekommen. Sie berichten davon, wie oft ihnen in der S-Bahn oder auf der Straße gratuliert worden sei.
Die beiden Frauen sind nicht erst seit den World Games in Berlin ein eingespieltes Team, auch wenn das ihr erster gemeinsamer Auftritt auf internationaler Bühne war. Eichner kam 2020 zum Unified-Sport, wo Menschen mit und ohne Lernbeeinträchtigung zusammen antreten, nachdem sie Skilanglauf-Unified gesehen hatte und davon begeistert war. Huhn kannte sie schon, denn sie arbeiten beide beim Bundesverband Special Olympics Deutschland.
Jahrelange Übung im Badminton
Eichner fragte sie nach einem gemeinsamen Training und „dann hat es geklappt mit uns beiden“, sagt Huhn, die zu diesem Zeitpunkt bereits jahrelange Übung im Badminton hatte und mit Unified-Sport sehr vertraut war. Seit 17 Jahren spielt sie in einem inklusiven Fußballteam, auch bei den Weltspielen 2011 in Athen war sie dabei – in der Fußballmannschaft. 2015 trat sie erstmals bei Badminton-Wettkämpfen an und hat sich bis heute nach ganz oben auf das Podest gekämpft.
Eine Sache, auf die Daniela Huhn jedoch mindestens genauso stolz ist wie auf ihre Goldmedaille, ist der Fahneneinzug bei der Eröffnungsfeier der Weltspiele in Berlin. Huhn trug beim Einzug des deutschen Special Olympics Teams in einer achtköpfigen Gruppe mit anderen Special Olympics Athlet:innen und olympischen Medaillengewinner:innen die deutsche Flagge ins Berliner Olympiastadion. „Für mich war das etwas ganz Besonderes, meine Stadt hier mit so vielen anderen Athleten vertreten zu dürfen“, erzählt sie.
Die ganze Verwandtschaft hat sie gesehen
Und welche Wellen die Weltspiele geschlagen haben, konnte sie auch abseits der Badmintonhalle selbst erleben: „Meine ganze Nachbarschaft findet das so toll, was wir Athleten alles gemacht haben“. Ihre ganze Verwandtschaft habe sie im Fernsehen gesehen, beim Tragen der Fahne, Freund:innen und Familie seien zu den Wettbewerben gekommen, ihre Vereinsmitglieder hätten sie bei jeder Disziplin angefeuert – „die sind super stolz auf mich.“ Nach den Spielen hörte die Aufregung nicht auf, plötzlich standen Interviews mit dem ZDF, Sky Sport und anderen namhaften Medien auf der Tagesordnung. Die beiden hätten das so überhaupt nicht erwartet, „wir waren gefühlt ständig irgendwo, das war irre viel“.
Der Trubel war nicht umsonst, die Aufmerksamkeit konnte hochgehalten werden und die Special Olympics im Gespräch bleiben. Nicht nur einmal wurden Daniela Huhn und Andrea Eichner auf der Straße erkannt und angesprochen, zum Beispiel nach der Veröffentlichung von Zeitungsartikeln oder Fernsehbeiträgen. „Es gab also wirklich auch einen Wiedererkennungseffekt, das war schon Wahnsinn“, erinnert sich Eichner.
Viele Leute wissen gar nicht, was Menschen mit Lernbeeinträchtigungen alles können – die sollten sich selbst einmal die Spiele angucken.
Daniela Huhn
Und auch für Huhn haben die Medienauftritte eine große Bedeutung: „Das ist sehr wichtig, denn wir wollen zeigen, dass wir auch im Mittelpunkt stehen und sichtbar sind. Wir wollen nicht ausgegrenzt werden“. Viele Leute wüssten gar nicht, was Menschen mit Lernbeeinträchtigungen alles können – die sollten sich selbst einmal die Spiele angucken, sagt Huhn.
Aktiv in den sozialen Medien
Deshalb ist Huhn auch in den sozialen Medien aktiv, postet regelmäßig auf TikTok, schreibt einen Blog – um da zu sein, wie alle anderen auch. Während der Weltspiele seien viele Leute zu den Athlet:innen gekommen und hätten erzählt, dass das ihnen Kraft und Motivation gebe.
Und das Interesse ist geblieben. In Berlin erkennen sich die ehemaligen Helfenden untereinander, wenn sie die bunte Einkleidung vom Sommer tragen. So käme man ins Gespräch, erzählt Eichner. Ihrer Auffassung nach sei da jetzt tatsächlich eine andere Wahrnehmung, ein gewisser Bekanntheitsgrad und die Begeisterung, da weiter dabei zu sein und mitzumachen.
Viele würden jetzt selber in die Sportvereine kommen wollen, um vielleicht selbst in vier Jahren bei den nächsten Weltspielen dabei sein zu können. Einmal im Monat gibt es seit den Spielen jetzt in Berlin ein inklusives Badmintontraining, das gab es vorher nicht. Und auch in Huhns Fußballverein würden immer mehr junge Leute mit dabei sein wollen, man merke, dass inklusive Sportvereine einfach mehr bewegen, sagt sie.
Nach all diesen Erfahrungen haben Huhn und Eichner beschlossen, weiter als Unified-Team im Badminton anzutreten, aber jetzt sind beide erst einmal wieder im ganz normalen Training. Im Winter unterstützt Huhn dann bei den Nationalen Winterspielen in Thüringen, bevor sich dann der Sommer und die Badminton-Saison wieder nähert.