Der 1. FC Union setzt auf seine Joker
Für Sven Michel waren die vergangenen drei Monate nicht gerade leicht. Als der Stürmer Ende Januar kurz nach dem Abgang von Max Kruse beim 1. FC Union ankam, fielen die Berliner in eine kleine Ergebniskrise. Der 31 Jahre alte Linksfuß, in der Zweiten Liga beim SC Paderborn noch Topscorer, tat sich schwer mit dem neuen Spielstil und hinterließ in seinen Einsätzen kaum bleibenden Eindruck. Als die Resultate wieder besser wurden, kam er an Taiwo Awoniyi und Sheraldo Becker nicht vorbei, und auch sein Treffer im Derby gegen Hertha konnte an dieser Hierarchie nichts ändern.
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In Leipzig wurde Michel mal wieder nur eingewechselt, und zwar spät in der 85. Minute, doch dieses Mal nutzte er seine kurze Einsatzzeit eindrucksvoll – mit dem Tor zum Ausgleich nach nur 21 Sekunden und der brillanten Hackenvorarbeit zum Siegtreffer des ebenfalls eingewechselten Kevin Behrens. „Genau so stellt man sich eine Einwechslung vor. Ich bin überglücklich, dass ich einen großen Teil beitragen konnte“, sagte Michel nach dem 2:1 bei Rasenballsport Leipzig. Auch Kapitän Christopher Trimmel freute sich für die beiden Joker. „Wir erwähnen immer wieder, dass die Einwechselspieler sehr wichtig sind. Heute haben sie den Unterschied gemacht.“
Durch den nicht unbedingt eingeplanten Auswärtssieg hat Union Platz sechs verteidigt, der aller Voraussicht nach für die Teilnahme an der Europa League berechtigt. Mit zwei Heimspielen gegen Absteiger Greuther Fürth und den VfL Bochum sowie einem direkten Duell beim Tabellenfünften SC Freiburg haben die Berliner beste Chancen auf die zweite Europapokalqualifikation in Folge. Doch weder Trainer Urs Fischer noch Michel wollen sich drei Spieltage vor Saisonende mit Rechenspielen aufhalten. Er habe die Tabelle noch gar nicht gesehen, sagte der Matchwinner unmittelbar nach Abpfiff, aber „wenn wir so weitermachen, brauchen wir gar nicht zu gucken, dann qualifizieren wir uns“.
Nach der gelungenen Revanche für das unglückliche Pokalaus am Mittwoch liegt Union nur noch vier Punkte hinter den Leipzigern. Es sei „logisch“, dass die Berliner nun auch ein Konkurrent um die Champions-League-Plätze seien, sagte Domenico Tedesco. „Union stand sehr lange in dieser Saison vor uns und das nicht umsonst“, lobte Leipzigs Trainer. „Wenn sie hier gewinnen, können sie gegen jeden Gegner gewinnen.“
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Ihre Rekordausbeute von 50 Punkten aus der vergangenen Saison haben die Berliner durch den vierten Sieg in Serie bereits egalisiert. „Wir werden nicht locker lassen“, verspricht Trimmel, und wer Union in diesen zwei Spielen gegen den Favoriten aus Leipzig gesehen hat, wird an dieser Aussage keinerlei Zweifel haben. Die Widerstandsfähigkeit der Berliner nach dem Pokalaus und dem unglücklichen Spielverlauf am Samstag war durchaus beeindruckend.
„Auch wenn du gefühlt am Boden liegst, und da waren wir am Mittwoch, musst du wieder aufstehen“, sagte Fischer. „Das hat die Mannschaft bewiesen, und ich glaube schon, dass du das für die letzten drei Spiele mitnimmst.“ Sven Michel bezeichnete den Sieg als „Balsam für die Seele“ und das gilt sicherlich auch für seine herausragende Leistung nach schwierigen drei Monaten.