Ausflug nach Stendal in der Altmark: Ein Besuch bei dem Erfinder der Antike

Der französische Offizier Marie-Henri Beyle war Mitte zwanzig, als er 1807 mit der napoleonischen Armee in deutsche Lande kam. Später würde er das Pseudonym Stendhal annehmen, offenkundig angelehnt an den Namen der Stadt Stendal in der Altmark, die seit jeher ein Garnisonsort war. Gut möglich, dass Beyle/Stendhal, Autor der epochalen Romane „Rot und Schwarz“ und „Die Kartause von Parma“, sich aus Verehrung für Johann Joachim Winckelmann umbenannte, den berühmten Altertumsforscher, der 1717 in Stendal geboren wurde.

Denn beide, Stendhal und Winckelmann, waren verrückt nach Italien. Der Franzose, leicht verliebt und kunstbesessen, kam dort viel herum, nach ihm wiederum ist das Stendhal-Prinzip benannt – wenn jemand von einem Kunstwerk eine übermäßige, manchmal bis zur Ohnmacht führende Reaktion zeigt.

Das klassische Jahrhundert

In den kühlen Backsteinkirchen, die in Stendal aufragen, kann das kaum passieren. Doch lohnt sich der Ausflug in die Altmark allemal, wenn einem wieder einmal der Berliner Himmel auf den Kopf fällt. Stendal hat eine ICE-Verbindung, die Fahrt vom Berliner Hauptbahnhof dauert eine Dreiviertelstunde. Sehr viel mehr Zeit aber verbringt man im Winckelmann-Museum, eine echte Überraschung.

Im 18. Jahrhundert war Winckelmann eine Berühmtheit. Goethe sprach sogar vom „Jahrhundert Winckelmanns“. Er hat die Weimarer Klassik in all ihren Meisterwerken und auch Irrtümern geprägt. Die Karriere des Sohnes eines armen Schusters wirkt wie eine märchenhafte Romanerzählung. Nach dem Gymnasium in Berlin und Studien in Halle und Jena, nach Jobs als Hauslehrer und Bibliothekar landet Winckelmann 1755 in Rom. Seine Schriften zur Kunst der Antike, seine Bildung und persönliche Aura lassen ihn 1763 zum Kommissar der Altertümer in Rom aufsteigen.

Mord ohne Motiv

Die kleine, feine Ausstellung im Winckelmann-Museum beginnt mit der Ermordung des Gelehrten 1768 in Triest. Der Mörder wurde schnell gefasst und hingerichtet, die Umstände bleiben bis heute Stoff für Spekulation. War es Raubmord, eine Verschwörung, hatte Winckelmann den Italiener für Sex auf sein Zimmer geholt, einen Stricher?