Berliner Philharmoniker: Thielemanns bunter Teller
Die drei Orchestervorspiele aus Hans Pfitzners Oper „Palestrina“ hat er schon 1996 bei seinem Debüt mit den Berliner Philharmonikern dirigiert. Damals allerdings noch als skurrile Dreingabe in einem ansonsten konventionellen Programm mit Chopins F-Moll-Klavierkonzert und Schumanns 2. Sinfonie. Wenig geschmeidig verlief damals der Einstieg des in Zehlendorf aufgewachsenen Dirigenten bei dem Weltspitzenorchester, es gab nicht nur musikalische Wackler.
Inzwischen aber verbindet die Philharmoniker eine intensive Freundschaft mit dem Maestro, der sich für seinen Gastauftritt in diesem Advent jetzt einen bunten Teller ganz nach seinem Gusto zusammenstellen durfte. Natürlich ist Pfitzner wieder dabei – und die Trias aus der „Palestrina“-Oper wird zum Höhepunkt des Abends: Weil der Dirigent wirklich für diese Musik brennt, entsteht eine Lebendigkeit mit persönlicher Note, vermag er das Orchester mitzureißen und das Publikum zu packen. Die beiden ruhigen Randstücke entfalten eine introvertierte Intensität, die vom wuchtigen zweiten Zwischenspiel mit wilder Bewegtheit durchkreuzt wird.
Im Furor fegt er die Partitur vom Pult
Eine Herzenssache ist für Christian Thielemann auch Bachs Orgelstück „Präludium und Fuge E-Dur“ in der Bearbeitung für Riesenorchester von Arnold Schönberg: Zu Beginn fegt er im Furor gar die Partitur vom Pult, wiegt sich dann aber wohlig in den Klangwogen, die ihn umspülen. Denn der Zwölftonkomponist hatte sich 1928 das Ziel gesetzt, die Klangmöglichkeiten der „Königin der Instrumente“ auf der sinfonischen Ebene noch zu übertrumpfen. Das Ergebnis ist aufgeputschter Pomp & Circumstance-Barock, freilich in allerfeinster philharmonischer Ausführung.
Kühler bleibt die Atmosphäre erstaunlicherweise bei den weiteren Einsame-Insel-Stücken Thielemanns. Lange dauert es, bis das „Parsifal“-Vorspiel kunstreligiöse Sogwirkung entfaltet, trotz des fantastischen, samtweichen Ansatzes der Blechbläser. Im anschließenden „Karfreitagszauber“ aus Wagners letzter Oper aber schwingen Dirigent und Orchester dann im Gleichklang, Oboist Albrecht Mayer und Klarinettist Wenzel Fuchs setzen solistische Glanzlichter.
Camilla Nylund als Grande Dame
Sehr erwachsene Profis bei ernsthafter Arbeit sind in den „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss zu erleben. Mit der vollendeten Noblesse einer Grande Dame gestaltet Camilla Nylund die Melodien, das Orchester feiert die spätestromantische Schönheit der Partitur. Erst im Nachspiel des finalen Gesangs wird die Vergänglichkeit fassbar, um die sich hier alles dreht, stellt sich abendschattiges Frösteln ein. Das Publikum dankt dafür mit langer, wohltuender Stille nach dem Schluss, bevor ausdauernder Applaus einsetzt.
Zur Startseite