Aus Dresden ins Weltall und zurück
Wer einen Antikriegsroman schreibt, könnte genauso gut ein Buch gegen Eisberge schreiben, heißt es gleich zu Beginn von „Schlachthof 5“. Davon ließ sich Kurt Vonnegut nicht abhalten und veröffentlichte 1969 seinen Roman, der mit seiner Mischung aus Science-Fiction, Autobiografie und postmoderner Ironie schnell zum Klassiker avancierte.
Kürzlich ist die Geschichte von Billy Pilgrim, der als Kriegsgefangener die Bombardierung Dresdens überlebt und später von Außerirdischen entführt wird, erstmals als Comic erschienen („Schlachthof 5: oder Der Kinderkreuzzug“, Cross Cult. 192 S., 35 €). Reichlich spät, könnte man aufgrund der Popularität und der popkulturellen Affinitäten des Schriftstellers meinen. „Schlachthof 5“ scheint wie gemacht für dieses Medium – nicht zuletzt, weil der Held sein Leben als Serie von ungeordneten Zeitsprüngen erfährt und auf dem Planeten Tralfamadore lernt, alles als Gegenwart zu betrachten.
Der vielseitige Autor Ryan North, bekannt für den Webcomic „Dinosaur Comics“ ebenso wie für die Marvel-Serie „Squirrel Girl“, und der Zeichner Albert Monteys, zuletzt mit „Universe!“ für einen Eisner Award nominiert, haben sich von der Zeitstruktur des Romans zu ausgefallenen Seitenlayouts anregen lassen.
Für rückwärts erzählte Sequenzen, augenblickliche Zeit- und Ortswechsel oder die auf Gleichzeitigkeit aufbauenden Erzählungen der Tralfamadorianer finden sie immer wieder neue grafische Lösungen. Und wenn Vonnegut das Hab und Gut eines US-Soldaten in der Ardennenschlacht beschreibt, breitet die Adaption dieses in Form von Ausschneidefiguren und einer Anziehpuppe auf der Seite aus.
Die Science-Fiction-Romane, die Billy Pilgrim als traumatisierter Veteran verschlingt – ob aus Eskapismus oder weil nur noch dort eine bessere Welt aufscheint –, mutieren derweil zu Comicheften in trashigem Retrolook. Der spielerische Zugriff auf die Textvorlage und die cartoonhaften Zeichnungen machen „Schlachthof 5“ zu einem kurzweiligen Comic, der die Absurdität der Handlung gut umzusetzen weiß.
Eine Kraterlandschaft, so unwirklich wie ein fremder Planet
Von Außerirdischen entführt und in einen Menschenzoo gesteckt zu werden wirkt in Vonneguts Welt genauso plausibel wie als Kriegsgefangener in einem alten Dresdner Schlachthof Malzsirup für Schwangere zu brauen. Die Kraterlandschaft, in die der Held nach den Luftangriffen vorfindet, scheint so unwirklich wie ein fremder Planet.
Die Opferzahl, die Kurt Vonnegut dem längst diskreditierten Werk „Der Untergang Dresdens“ des späteren Holocaustleugners David Irving entnahm, hat man im Comic übrigens von 135.000 auf 25.000 korrigiert. Die ausgebesserte Zahl liest Billy Pilgrim allerdings in einer Ausgabe von Irvings Buchs, so dass dieses (unfreiwillig) mitrevidiert wird.
[Weitere aktuelle Tagesspiegel-Artikel über Comics zum Thema Krieg hier: Kriegsgeschichten aus erster Hand, Down Under zieht in den Krieg, Wenn die Wunden des Krieges nicht verheilen.]
Was in der Adaptation ein wenig untergeht, ist das unterschwellige Gefühl, dass Vonneguts lakonisch-gelassene Ausdrucksweise letztlich nur eine verzweifelte Reaktion darauf ist, dass man die Schrecken des Krieges nicht begreifen kann.
North und Monteys zeigen, dass sie den Roman auf das Wesentliche kondensieren, behutsam modernisieren und visuell einfallsreich aufbereiten können. Aber dass Vonneguts postmoderne Spielereien und Sci-Fi-Klischees nur Flucht- und Verdrängungsmechanismen angesichts eines Kriegstraumas sind, spürt man in ihrem Comic nur selten.