Auf den Spuren von Simone Fontecchio: Gabriele Procida arbeitet bei Alba an seiner großen Zukunft
Im Sport kann es manchmal erstaunlich schnell gehen. Gabriele Procida ist im Sommer als vielversprechendes Talent zu Alba Berlin gewechselt, besonders große Schlagzeilen hatte die Verpflichtung des 20 Jahre jungen Italieners anfangs aber nicht gemacht. Nach seinen ersten 12 Minuten und 53 Sekunden in der Euroleague sieht das bereits ganz anders aus. Zwei Dreier, ein krachender Putback-Dunk, insgesamt zwölf Punkte beim Sieg gegen Partizan Belgrad am vergangenen Freitag – und schon wird Procida von mehreren Medien als womöglich spektakulärster Newcomer dieser Euroleague-Saison gefeiert.
Bei Alba Berlin pflegen sie grundsätzlich einen anderen Umgang mit ihren Talenten und so ist Israel Gonzalez ganz weit weg von ähnlichen Lobeshymnen. „Gabriele trainiert gut und wir sind zufrieden mit seiner Entwicklung, aber er muss noch sehr viel lernen“, sagte Albas Trainer vor dem zweiten Euroleague-Spiel bei Titelanwärter Olimpia Mailand am Freitag (20.30 Uhr, Magentasport).
Die ersten Eindrücke nach drei Einsätzen für Alba bestätigen beide Sichtweisen. Procida muss zweifellos noch viel lernen, doch für sein Alter ist er sehr weit und kann auch auf der größten europäischen Bühne phasenweise Einfluss nehmen. Mit seiner Athletik und seinem guten Distanzwurf ist der 1,98 große Flügelspieler offensiv bereits ein Faktor, auch wenn er im flüssigen System der Berliner manchmal noch wie ein Fremdkörper wirkt. „Er hat eine große Zukunft vor sich, muss aber erst mal verstehen, wie wir Basketball spielen“, sagte Himar Ojeda vor dem Saisonstart.
Procida ist eine typische Verpflichtung für Albas Sportdirektor. Der Italiener wurde im Sommer zwar im NBA-Draft an 36. Stelle gezogen und seine Rechte liegen bei den Detroit Pistons, er ist für die nordamerikanische Glamour-Liga aber körperlich und spielerisch noch nicht weit genug. Dass er irgendwann in den USA landen wird, ist sehr wahrscheinlich und natürlich gibt es in seinem Dreijahresvertrag mit Alba entsprechende Ausstiegsklauseln.
Doch erst mal soll er sich weiterentwickeln und in Berlin haben sie in der Vergangenheit bewiesen, dass sie mit solchen Rohdiamanten umgehen können. „Als ich von Albas Interesse gehört habe, musste ich nicht lange nachdenken. Das ist ein sehr gutes Projekt“, sagt Procida.
In der Nationalmannschaft hat er im Sommer auch mit Simone Fontecchio zusammengespielt und den ehemaligen Alba-Profi, der mittlerweile in der NBA bei den Utah Jazz spielt, hat er vor seiner Entscheidung auch um Rat gefragt. „Simone hat mir gesagt, dass er sich hier wirklich sehr wohl gefühlt hat.“ Fontecchio sagte dem Tagesspiegel nach Procidas Verpflichtung: „Gabriele hat sehr viel Entwicklungspotenzial, deshalb ist Alba der perfekte Klub für ihn.“
Teilweise wird Procida bereits als eine Art „Fontecchio 2.0“ bezeichnet und es bestehen durchaus einige Parallelen. Beide sind sehr athletisch und gute Distanzwerfer. Beide bekamen in Italien nicht dauerhaft das Vertrauen, das sie für ihre Entwicklung benötigten. Beide passen mit ihrem Profil gut in die NBA.
Hier enden die Parallelen allerdings bereits. Fontecchio kam mit Mitte 20 zu Alba und sein Spiel war schon ausgereifter. Procida ist deutlich jünger und zumindest abseits des Feldes bei Weiten nicht so selbstsicher wie sein Landsmann. „Er ist zum ersten Mal im Ausland und schüchtern“, sagt Gonzalez. In den ersten Tagen war sein Vater mit nach Berlin gereist, mittlerweile wohnt er alleine. Auch deshalb freut sich Procida auf das Auswärtsspiel in Mailand besonders. „Meine Eltern und viele Freunde werden aus Como kommen“, sagt er.
Natürlich hoffen sowohl Alba als auch Procida auf eine ähnliche Explosion wie bei Fontecchio. Der schnelle Berliner Basketball kommt dem jungen Italiener definitiv entgegen und das gilt auch für das Umfeld. In den vergangenen beiden Jahren stieg Procida mit Cantu und Fortitudo Bologna jeweils aus der ersten Liga ab. Der Druck war groß und seine Rolle im Team meist begrenzt. „Er stand viel in der Ecke und hat gewartet, dass ihm jemand den Ball zuspielt“, sagt Gonzalez.
Bei Alba soll Procida deutlich aktiver werden und häufiger den Ball in die Hände bekommen. Sein Trainer sieht ihn deshalb auch eher als Shooting Guard als auf der Small-Forward-Position. Kontinuierlich soll Procida umgeschult werden, an seiner Entscheidungsfindung, der Positionierung und den Laufwegen arbeiten. Auch ein paar Kilo Muskelmasse fehlen ihm noch.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre mit vielen Neuzugängen zeigt, dass die Anpassungen an das Berliner Spiel selbst bei etablierten Profis wie Maodo Lo nicht mühelos funktionieren, dann allerdings große Fortschritte sichtbar werden. „Ich werde noch Zeit brauchen, um mich an das Spielsystem zu gewöhnen. Die Freiräume, um eigene Lösungen zu finden, werden mir aber auf jeden Fall helfen“, sagt Procida.
Dass die nächsten Monate in seiner ersten Euroleague-Saison sehr anstrengend werden, schreckt den Italiener nicht ab. Sein Motto hat er sich auf den Oberarm tätowiert und es passt auch erschreckend gut zur Basketball-Philosophie von Alba. „Il lavoro duro supera il talento, se il talento non lavora duro – Harte Arbeit übertrifft das Talent, wenn das Talent nicht hart arbeitet.“
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