Nachruf auf Roberta Flack: Die ganze Welt in einem Song
Sanfter und schöner ist die Liebe vielleicht nie besungen worden. Ihre Kraft, ihr Trost. Die Liebe zur Musik, zu einem Sänger. Zuerst ist da bloß diese engelsgleiche Stimme, säuselnd und mit ein bisschen Vibrato. „Strumming my pain with his fingers“, singt sie. „Singing my life with his words / Killing me softly with his song.“ Er singt mit seinen Worten über mein Leben – und tötet mich sanft mit seinem Lied. Erst dann setzt ein Chor ein, gefolgt von E-Piano, Bass und dem sparsamen Schlagzeug.
Die strahlende Stimme gehört Roberta Flack. Sie hat das Lied 1974 von der Folkmusikerin Lori Lieberman übernommen, die darin ein Jahr zuvor Eindrücke von einem Konzert des Sängers Don McLean besang. Es wurde ein Nummer-1-Erfolg in den Billboard-Charts, Flacks Signature Song und ihr größter Hit.
Für „Killing Me Softly with His Song“ wurde die Soulsängerin 1974 mit einem Grammy ausgezeichnet, den sie bereits 1973 für ihre Ballade „The First Time Ever I Saw Your Face“ erhalten hatte. Zwei Grammys nacheinander, das hatte bis dahin niemand geschafft. 1996 brachten Lauryn Hill und die Fugees mit ihrer Coverversion „Killing Me Softly with His Song“ noch einmal weltweit in die Hitparaden.
Mit Songs wollte sie Geschichten erzählen
„Ich habe meine ganze Karriere lang versucht, mit meiner Musik Geschichten zu erzählen“, sagte Roberta Flack 2020. Damals betrat sie erneut die Grammy-Bühne, diesmal als Preisträgerin für ihr Lebenswerk. „Diese Auszeichnung ist für mich eine Bestätigung dafür, dass meine Hörer meine Gedanken verstanden und das aufgenommen haben, was ich zu geben versucht habe.“
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Flack kämpfte mit ihrer Musik gegen Rassismus und den Vietnamkrieg, trat ein für die Rechte von Minderheiten. Ihr 1969 erschienenes Debütalbum „First Take“ beendete sie mit der siebenminütigen Klavier-und-Streicher-Ballade „Ballad of the Sad Young Men“, einer „der erschütterndsten Darstellungen des schwulen Lebens vor den Stonewall-Unruhen, die jemals aufgenommen wurden“, wie der „Guardian“ später urteilte.

© dpa/Harold Filan
Die innerhalb von zehn Stunden eingespielte, streckenweise sehr jazzige Langspielplatte enthielt auch „The First Time Ever I Saw Your Face“, das aber zunächst unbeachtet blieb. Das änderte sich, als Clint Eastwood das Lied im Autoradio hörte und daraufhin Kontakt mit Flack aufnahm.
Clint Eastwood verhalf ihr zum Durchbruch
„Er rief mich zuhause in Alexandria, Virginia an“, erinnerte sich die Sängerin. „Ich konnte nicht glauben, dass Eastwood mich anrief. Ich wäre fast ohnmächtig geworden.“ Der Schauspieler nahm das Stück in den Soundtrack seines Regiedebüts „Sadistico“. Der Thriller wurde ein Erfolg, Flacks Karriere bekam einen Schub.
Bei ihrem Durchbruch war Flack bereits 33 Jahre alt. Eine Spätzünderin, gemessen an Pop-Maßstäben. Sie kam 1937 in North Carolina zur Welt, wo ihre Mutter als Kirchenorganistin arbeitete. Roberta begann mit neun Jahren, Klavier zu spielen, und schrieb sich mit 15 an der Howard Universität in Washington, D.C. ein.
Nach ihrem Abschluss unterrichtete Roberta Flack Musik und Englisch und trat nebenbei als Sängerin in Clubs auf. Dort entdeckte sie der Jazzpianist Les McCann. Er vermittelte sie an das Label Atlantic Records, dessen legendärer Gründer Ahmet Ertegün sie unter Vertrag nahm. Der Rest ist Soulgeschichte.
Ihre größten Erfolge feierte die Sängerin bis in die achtziger Jahre. Später brachte sie nur noch sporadisch Alben heraus. Nach einem Schlaganfall gab sie 2018 bekannt, nicht mehr auftreten zu können. Einige Zeit danach erkrankte sie an ALS, einer Störung des zentralen Nervensystems. Am Montag ist Roberta Flack, wie eine Sprecherin mitteilte, im Kreis ihrer Familie gestorben. Sie wurde 88 Jahre alt.