Schriftstellerin Paula Fürstenberg: „Die AfD ist die erste Partei, die die ostdeutsche Identität positiv besetzt“

Frau Fürstenberg, Sie wurden 1987 in Potsdam geboren, waren viel in der Welt unterwegs und leben heute im früheren Westteil Berlins. Sind Sie eine Ostdeutsche?
Ostdeutsch sein heißt für mich: Es gibt eine zweite Welt, die mitläuft, wenn ich auf die Gegenwart schaue. Es ist die Wirklichkeit eines anderen staatlichen Systems, das mal existiert hat. Wenn heute von der Alternativlosigkeit des Kapitalismus die Rede ist, denke ich: Komisch, so können nur Westdeutsche denken. Wenn Menschen fragen: Wieso beschweren sich die Ostdeutschen, obwohl ihre Innenstädte so schön saniert sind?, frage ich zurück: Wem gehören denn diese sanierten Häuser?

Erleben Sie Ihre Ostsozialisierung als eine Quelle von Kraft?
Die Corona-Pandemie war für mich einer der Momente, wo ich die Ostsozialisierung stark gespürt habe. Ich blieb gelassener als meine westdeutschen Freundinnen und Freunde, die mir besorgt Fotos von leeren Heferegalen im Supermarkt schickten, von Schlangen vor den Läden. Ich habe in solchen Schlangen nicht mehr gestanden, aber die Erzählungen davon sind mir sehr präsent. Meine Eltern sind ja in der DDR nicht verhungert. Die Westsozialisierten koppeln solche Bilder vielleicht eher an die Nachkriegszeit, die durchaus mit Hungern verbunden ist. Da merke ich: Obwohl ich gar nicht dabei war, leben bestimmte Erzählungen wie eine eigene Erfahrung fort.

Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass es diese ETF-Fonds noch geben wird, wenn wir mal in Rente sind?

Paula Fürstenberg über die Umbruchserfahrungen ihrer Generation