Berlin fährt auf eigener Strecke

Berlin ist zwar nicht so fahrradverrückt wie Amsterdam oder Münster, aber Radfahren ist in Deutschlands größter Stadt schon ein großes Thema. Und das, obwohl die Radwege Berlins in der nationalen Kreisklasse spielen. Es war unstrittig überfällig, dass endlich wieder ein großes Radsportevent seinen Weg in die Stadt findet. Das vom SCC organisierte Rennen, firmierend unter „der Velocity – The Power of Berlin“, war da am Sonntag auf dem Kurs durch die Berliner City schon mal ein vielversprechender Anfang.

Auch wenn die Teilnehmerzahl (5781 Menschen waren am Start) dann etwas geringer ausfiel als erwartet, war der Botschafter des Events begeistert. Jens Voigt, Berlins Vorzeige-Ex-Radprofi sagte am Start des Rennens: „Das ist die Radsportveranstaltung, auf die Berlin gewartet hat. Und das ist nur der Anfang, wir werden daraus ein so großartiges Event machen, wie den Berlin-Marathon.“

Wobei der Marathon, zumindest an der Spitze, ein Event ist, das auch Leistungssportler von Weltklasse anlockt. Beim neuen Radsportevent des SCC verhält sich das noch anders, es ist ein Rennen für alle Radler – und hat wenig mit dem zu tun, was derzeit in Frankreich bei der Tour de France stattfindet. In Berlin gab es keine Dopingproben, sondern schicke Medaillen für alle, die ins Ziel kamen, „Das Miteinander steht im Vordergrund nicht der Kilometerschnitt”, sprach der Moderator des Rennens ins Mikrofon.

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Allerdings steht nun im Raum, dass in naher Zukunft Profis an der Veranstaltung teilnehmen. André-Odin Reinhardt, Eventmanger Velocity, sagte dem Tagesspiegel: „Wir wollen ein Profi-Rennen integrieren. Und zwar eines der Frauen.“ Was dann eine kleine Revolution wäre, denn andernorts waren meist die Männer zuerst dran. Dass der Vorstoß von Berlin auch pragmatische Gründe hat – männliche Profis (siehe Tour de France) würden ein weiteres Rennen kaum in den Kalender integriert bekommen – interessiert den Eventmanager dabei nicht. „Radfahren ist ja nicht nur für Männer, also gehen wir gerne diesen anderen Weg.“ Für die Zuschauenden wäre das ein besonderes „Schmankerl“, wahrscheinlich wird das Rennen der Profis am Ende stattfinden, weil dann – so die Erfahrung vom Sonntag – mehr Fans an der Strecke sind. Reinhardt hofft auch, dass durch dieses „Signal“ der Anteil der Teilnehmerinnen steigt, am Sonntag lag er bei etwa 20 Prozent.

Trotz eines anvisierten Profi-Rennens – ob nun an der Spitze oder hintendran – soll das Velocity („wir haben uns für den Artikel ,der’ entschieden, ,das’ geht aber auch“, sagt Reinhardt) aber das Rennen für alle bleiben. Bei der ersten Auflage waren neben Rennradfahr:innen auch Menschen auf Trekking-, City- und Mountainbikes unterwegs. Sogar mit Klapprad wagte sich jemand auf die Strecke. Fast alle Teilnehmenden blieben im Zeitlimit. Eine Siegerin und einen Sieger gab es auch: Über 90 Kilometer siegten Angelina Bosse (1:57:24 Stunden) und Max Walsleben (1:56:24 Stunden). Auf der 60-Kilometer-Distanz waren es Anna Weitz (1:28:53 Stunden) und Matthias Bertram (1:18:48 Stunden).
Jürgen Lock, Geschäftsführer von SCC Events, findet, dass die „Attraktivität des Fahrrades inklusive der damit gegebenen Mobilität“ als „Chance begriffen werden“ sollte. „Dabei darf das Rad zu einem Markenzeichen Berlins werden. Mit seinem einmaligen Stadtkurs wird sich der Velocity Berlin sukzessive entwickeln, bis er hoffentlich in unserer Version, einer Bike-Week, gipfelt.”

Bis zur Größe des Berlin-Marathons ist es aber noch ein langer Weg. „Ein mittelfristiges Ziel ist das nicht“, sagt Reinhardt. Kurzfristig wolle man nun schauen, ob es möglich ist rund um das Rennen eben eine „Bike-Week“ mit mehreren Veranstaltungen auf die Strecke zu bekommen. Und natürlich fährt da auch die Hoffnung mit, dass sich die Zahl der Teilnehmenden dann „im fünfteiligen Bereich“ etabliert, sagt Reinhardt. „Aber in der Corona-Zeit hat sich eben das Anmeldeverhalten verändert. Wir können in diesem Punkt super zufrieden sein mit dem ersten Velocity.“
Fortsetzung folgt, am 2. Juli 2023 und wohl auf auf der gleichen Strecke. „Die Strecke war so weit gut“, sagt Rheinhardt. „Die haben wir einmal beantragt, dann wird es wieder gehen. Wir beabsichtigen aber, die Strecke noch verlängern zu lassen.“