Lieblingsmaterial Beton: Reliefkünstler Peter László Péri wird im Kunsthaus Dahlem wiederentdeckt
Kann eine Spiegelung auf der Wasseroberfläche genauso real sein wie die Wirklichkeit? Im manchen Werken von Peter László Péri ist sie es. Der in Budapest geborene und als britischer Staatsbürger gestorbene Künstler gehört zu denen, die durch das Raster der Kunstgeschichte gefallen sind. Zu oft wechselte er, quer durch die Umbrüche des 20. Jahrhunderts, die Länder und Wohnorte.
Überdies arbeitete er meist im Widerspruch zu herrschenden Kunstströmungen. Und dann setzte Péri es sich auch noch in den Kopf, Dinge der Unmöglichkeit ausgerechnet im plastischen Medium zu verwirklichen: Schatten darstellen, Reflexionen erfassen, Perspektiveffekte gestalten, Schwerkraft aufheben und Farben kontrastieren: all das gilt ja normalerweise als Domäne der Malerei. Péri aber beharrte darauf, derlei im dreidimensionalen Medium umzusetzen.
Péri lebte in London
Da sitzt also eine Frau am Ufer eines kompakt gerundeten Wasserspiegels und auch ihre gespiegelte Wiedergängerin gewinnt gleich groß und ebenso greifbar im Relief Gestalt. Um 1960 hat Péri diese späte Arbeit geschaffen. Da lebte er bereits seit Jahrzehnten in London, als Jude und Kommunist den deutschen Nazis entkommen. Vor allem seinem figürlichen Schaffen seit den 1930er Jahren widmet das Kunsthaus Dahlem Aufmerksamkeit. Es ist nicht die erste Wiederentdeckung eines vergessenen Künstlers, die der Leiterin Dorothea Schöne gelingt.
Im Berlin der Zwischenkriegszeit war Peter László Péri noch mittendrin im quirligen Kunstbetrieb. Auf Augenhöhe mit dem ungarischen Landsmann László Moholy-Nagy bereicherte er die Szene mit radikal avantgardistischen Ideen. Aber während der publikationsfreudige Moholy-Nagy sich als Bauhauslehrer Nachruhm sicherte, geriet Péri ins Abseits. Dabei hatten gerade seine geometrisch-abstrakten Arbeiten das Interesse etwa von „Sturm“-Galerist Herwarth Walden geweckt.
Péris perspektivisch vertrackte Linoleumschnitte aus blockhaften Formen zierten einst das Cover der Sturm-Zeitschrift. Schon damals arbeitete Péri als Bildhauer am liebsten in Beton: ein proletarisches, zeitgemäßes Material, das überdies billig zu haben und leicht formbar war. Die moderne Kunst hatte es noch nicht für sich entdeckt. Péri begann damit zu experimentieren und er blieb dabei, auch als er ins figürliche Fach wechselte. Denn die Gegenstandslosigkeit, so wurde dem politisch Engagierten klar, konnte die einfachen Leute, also das Gros der Menschen ja gar nicht erreichen. Genau um dieses Publikum ging es ihm aber.
Beim Bier im Pub
Auf einem großen Betonrelief, das während des Kriegs in England entstand, schleppen zwei „Rescue Men“ eine Gerettete aus den Trümmern. In einer anderen Szene sitzen zwei ärmlich Gekleidete beim Bier im Pub. Oder junge Leute räkeln sich am Strand, „Sunbathing“. Immer geht es um Verständlichkeit, um die Alltagstauglichkeit der Motive. Im großen Stil durfte der Künstler damit neuerrichtete Nachkriegswohnungsblöcke verzieren, was seine prekären Lebensverhältnisse aber nicht grundlegend besserte.
Auch ins Utopische, Symbolhafte wagte er sich: Auf einer waghalsig schräg in den Raum geklappten Bodenfläche recken sich begegnende Menschen emphatisch ihre Arme empor, sie feiern die „Liberation“, anno 1945.
Um mit durchgefärbten Massen modellieren zu können, entwickelt der Künstler für sein Lieblingsmaterial Beton eine Spezialtechnik, die er „Pericrete“ nannte. Außergewöhnlich sind auch seine Porträtköpfe in extrem flachem Relief. Hier merkt man, wie genau Péri die Frührenaissance studierte. Der Italiener Donatello hatte einst derart hauchfeine Flachreliefs kreiert. Hier knüpfte Péri an. Aber seine Dargestellten sind immer Zeitgenossen der Gegenwart, mit illusionslosem, nüchternen Gesichtsausdruck.
Péri blieb im figürlichen Fach
Dann wieder packt „Péri´s People“, so der Ausstellungstitel, ein unbändiger Bewegungsdrang: Männer im Statuettenformat biegen ihre Körper in exaltierten Wurf-, Kampf- und Schlagposen, als könnten sie die in ihnen pulsierende Energie kaum halten. Péris Kunst hat viele Aspekte. Flankiert werden seine überwiegend dem Nachlass entnommenen Arbeiten im Kunsthaus Dahlem von aktuellen Positionen: Auch Bram Braam, Friedemann Grieshaber oder Noa Heyne nutzen Beton.
Der schnöde, architekturnahe Werkstoff formt sich zu kargen oder unversehens poetischen Momenten, etwa bei Marta Dyachenko. Wie zufällig hat die in Kiew geborene Künstlerin, die schon lange in Berlin lebt, ihre unscheinbaren Objekte auf dem nackten Fußboden ausgesetzt, man könnte unversehens darüber stolpern. Die kompakt gegossenen Volumen ähneln Transportkähnen. Im realen Gewässer der Wirklichkeit würden sie sang- und klanglos untergehen. Aber ihre imaginäre Fahrt ist nicht aufzuhalten. Sie sind unterwegs von nirgendwo nach nirgendwo.