Megan Rapinoe beendet ihre Karriere: Ihr Rückgrat wird dem Fußball fehlen

Blond, lila, türkis und pink – Megan Rapinoe hat viele Haarfarben ausprobiert. Reiht man sie aneinander, dann sind sie fast so bunt wie der Regenbogen. Damit sticht die 38-jährige US-amerikanische Fußballerin heraus, wenn sie das Spielfeld betritt. Noch mehr fallen ihre sportlichen Glanzleistungen auf: die zielgenauen Pässe, die anspruchsvollen Dribblings und die Traumtore, die sie im Laufe ihrer Karriere erzielte. Mit ihrer Energie und Dynamik reißt sie Team und Fans mit – auf dem Platz und darüber hinaus.

In ihrer Autobiografie „One Life“ schreibt Rapinoe, dass sie als Kind schüchtern gewesen sei. Damals habe sie sich am liebsten hinter ihrer Zwillingsschwester versteckt. „Oft gehört ich nicht dazu, passte nicht rein.“ Das änderte sich erst, als Rapinoe den Fußball für sich entdeckte. Eine Sphäre, in der sie ganz sie selbst sein konnte. Zunächst spielte sie in den U12 und 14-Teams der Portland Mavericks, danach bei Elk Grove United.

Später lief sie für Seattle auf, bevor sie zum dreimaligen Champions-League Gewinner Olympique Lyonn wechselte. Im Jahr 2013 erreichte sie mit dem französischen Spitzenverein sogar das Finale der Champions League, wo sie nur knapp gegen den VfL Wolfsburg verlor.

Stück für Stück gewann Rapinoe das Selbstbewusstsein und die Stärke, für die sie heute bekannt ist. Dazu trug auch die Zeit auf dem College bei, als Rapinoe realisierte, dass sie lesbisch ist. „Wenn man sich als Sportpromi outet, tut man das sicher nicht in erster Linie für sich selbst, sondern für andere“, schrieb Rapinoe in ihrem Buch. Immer wieder nutzte sie ihre Plattform, um sich für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in den USA stark zu machen. In diesem Jahr, kurz vor der Weltmeisterschaft, positionierte sie sich gegen Transfeindlichkeit im Sport.

Gemeinsam mit ihrem Team feiert Rapinoe 2019 die Verteidigung des Titels.
Gemeinsam mit ihrem Team feiert Rapinoe 2019 die Verteidigung des Titels.
© IMAGO/USA TODAY Network

Über ihre eigene Queerness sprach sie das erste Mal 2011 vor den Olympischen Spielen in einem Interview – und erhielt dafür viel Zuspruch. Für zahlreiche junge Sportler*innen wurde sie als offen lesbische Profifußballerin zum Vorbild. Sie selbst betonte zugleich, dass sie sich in einer privilegierten Position befände als weiße, wohlhabende Person mit Prominenz. Denn spätestens bei der WM in Deutschland 2011, als sie im zweiten Spiel gegen Kolumbien das 2:0 erzielte und durch das Mikrofon innbrünstig „Born in the USA“ sang, kannte man Rapinoe auch auf internationaler Ebene.

Mit ihrem Kniefall setzte Rapinoe ein Zeichen gegen Rassismus

Ein Jahr später holte sie mit dem Nationalteam erstmals Gold bei den Olympischen Spielen. Bei der WM 2015 setzte sie sich im Finale gegen Japan durch und verteidigte vier Jahre später den Titel. Unvergessen bleibt der Moment, als Rapinoe nach Abpfiff ihre Arme ausstreckte, das Kinn emporreckte und den Titelgewinn bejubelte. Es war nicht nur einer der größten Triumphe ihrer Karriere, sondern auch ein denkwürdiger Moment im Fußball. Im selben Jahr wurde sie vom Weltverband Fifa mit dem Ballon d’Or als „Weltfußballerin des Jahres“ ausgezeichnet.

Entgegen vieler Widerstände setzte Rapinoe mit dem Kniefall ein Zeichen gegen Rassismus.
Entgegen vieler Widerstände setzte Rapinoe mit dem Kniefall ein Zeichen gegen Rassismus.
© imago images/Shutterstock

Doch trotz ihrer steigenden Prominenz behielt Rapinoe immer das große Ganze im Blick. Nicht nur mit ihren Toren und Pässen erregte sie viel Aufmerksamkeit, sondern auch mit ihren Statements. Dabei stieß sie teilweise auf große Widerstände. Als sie 2016 dem Beispiel des Quarterbacks Colin Kaepernick folgte und beim Abspielen der Nationalhymne auf dem Platz niederkniete, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen, schlug ihr viel Ablehnung entgegen. Fans buhten sie aus und Nationaltrainerin Jill Ellis stellte sie monatelang kalt. Doch davon ließ Rapinoe sich nicht unterkriegen. Ihre Wertevorstellungen waren für sie wichtiger als der sportliche Erfolg.

Rapinoe erkämpfte das gleiche Gehalt für die Frauen

Fifa-Funktionäre werden nicht müde zu betonen, dass Sport und Politik voneinander getrennt werden müssten. Rapinoe beweist das Gegenteil. Sie hat den Fußball politisiert und langfristig verändert. Gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen klagte sie gegen die finanzielle Ungleichbehandlung der Frauen gegenüber den Männern im Fußball und hatte damit nach einem jahrelangen Rechtsstreit Erfolg: Mittlerweile zahlt der US-Verband den Frauen das gleiche Gehalt wie den Männern.

Ohne den beharrlichen Einsatz von Rapinoe wäre dieser Schritt Richtung Gleichberechtigung kaum möglich gewesen. „Sie hat so unglaubliche Dinge für dieses Team und für die Welt getan, dass es wirklich etwas Besonderes ist, sie aus der Nähe zu erleben“, sagte Teamkollegin Kelley O’Hara gegenüber der Deutschen Welle.

Rapinoe war über Jahre eine wichtige Vorkämpferin und erzielte Veränderungen, von denen junge Spielerinnen noch lange profitieren werden. Bei der WM in Australien und Neuseeland führte sie ihr Team ein letztes Mal auf das Feld. Zur Startelf gehörte sie zwar nicht mehr, doch sie nahm weiterhin eine zentrale Rolle ein.

Mit dem Ausscheiden der USA nach der Achtelfinal-Niederlage gegen Schweden im Elfmeterschießen endet auch Rapinoes sportliche Karriere auf internationaler Bühne Ihr Rückgrat wird dem Fußball fehlen – nicht nur in ihrer Heimat, sondern weltweit.