Zum 70. Geburtstag: Kaweh Niroomand ist nicht so der Typ Rentner
Wenn man Kaweh Niroomand an einem Sonntagmorgen anruft, dann klingt er energisch und so, als sei er bereits seit vielen Stunden auf den Beinen. Das ist auch meistens der Fall. Oftmals war er dann schon beim Sport oder ist um die anliegenden Seen in Zehlendorf gewalked. Früher joggte er diese Strecken, heute läuft er sie in zügigem Tempo. Seiner Selbstdisziplin haben die Knieprobleme keinen Abbruch getan. Nur bei einer Sache wird selbst Niroomand schwach: Frankfurter Kranz. Ein großes Stück davon dürfte er sich auch an diesem Sonntag genehmigen, wenn er 70 Jahre alt wird.
Den Berliner Sport hat Niroomand in den vergangenen Jahren geprägt wie kaum ein anderer: Als Geschäftsführer der BR Volleys, früher SCC, führte er den Verein zwölfmal zum Meistertitel und machte sich als Sprecher der Berliner Profiklubs für die Entwicklung einer Sportmetropole stark. Aber auch für soziale Projekte wie die Berliner Tafel und die Obdachlosenhilfe setzte er sich ein und wurde schon zweimal zu Berlins Manager des Jahres gewählt.
Zum Volleyball führten Niroomand die Olympischen Spiele 1972. Er absolvierte zu diesem Zeitpunkt in Tecklenburg, in der Nähe von Münster, sein Abitur. „In den Jahren vor Olympia erlebte die Sportart einen echten Boom. Auch an meiner Schule konnte man plötzlich Volleyball spielen.“ Schnell entwickelte er sich zu einem der besten Spieler der Schule. Dem Volleyball professionell nachzugehen, war aber lange keine Option, stattdessen zog er nach Hannover und studierte Bauingenieurwesen. Bereits zwei Jahre später, 1973, ging es nach Berlin − auch um sich politisch zu engagieren.
„Ich war immer schon politisch aktiv“, sagt Niroomand. Tecklenburg sei damals recht konservativ gewesen, das habe sich auch in der Schule widergespiegelt. Also fing Niroomand an sich als Schulsprecher für die Rechte der Schüler*innen einzusetzen, sein bester Freund übernahm die Schülerzeitung. „Das wurde damals immer anti-autoritärer. Der Unterricht wurde in politische Diskussionen umgewandelt. Das hat mich interessiert.“
In Berlin schloss er sich der Konföderation Iranischer Studenten an − für Niroomand, der im Alter von zwölf Jahren aus Teheran nach Deutschland kam, eine neue Erfahrung. In dem Dorf, in dem er aufwuchs, gab es außer ihm keine Perser. „Man sagt, dass die 68er-Bewegung teilweise durch die Iraner beeinflusst wurde. Das hat mich viel mehr gereizt als Volleyball.“
Damals wohnte Niroomand in einer Wohngemeinschaft mit sechs anderen Menschen. An einen Nachmittag erinnert er sich noch genau: Er las gerade den Tagesspiegel, als er im Sportteil auf ein Spiel der Saunafreunde gegen den VC Berlin in der Schöneberger Halle aufmerksam wurde. Kurzerhand entschloss er sich, hinzugehen „Es war eine Bombenstimmung und es hat mich so in den Fingern gejuckt, dass ich mir gesagt habe: Der Mannschaft, die heute gewinnt, stelle ich mich vor.“
Gesagt, getan. Die Saunafreunde gewannen, Niroomand stellte sich vor und nahm am Probetraining teil. Zunächst durfte er nur in der Ersten Mannschaft mittrainieren, später nahm er als Außenangreifer an den Spielen teil. Eigentlich wollte sein Vater, dass er in Deutschland studiert und anschließend zurückkommt. Doch Niroomand entschied sich dagegen und konzentrierte sich verstärkt auf den Volleyball. „Wenn man sich glaubhaft für den Iran einsetzen will, muss man rübergehen. Das heißt nicht, dass ich mich dem Ganzen entkoppelt habe, aber mein Ehrenamt habe ich ab dann dem Sport gewidmet.“
Man sagt, dass die 68er-Bewegung teilweise durch die Iraner beeinflusst wurde. Das hat mich viel mehr gereizt als Volleyball.
Kaweh Niroomand
Die politischen Entwicklungen im Iran beschäftigen Niroomand bis heute, insbesondere seit den Protesten der vergangenen Monate. „Das bewegt mich sehr. Es ist schwer zu sehen, wie viel Unrecht den Menschen geschieht und wie voll die Gefängnisse sind.“ Aber er hat auch Hoffnung, dass sich langfristig etwas ändert. „Es hat immer in Wellen Proteste gegeben, aber so breit wie jetzt waren sie noch nie.“
Seine Plattform nutzt Nirooomand immer wieder, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Mit seiner Art inspiriert er auch andere Menschen wie den ehemaligen Volleys-Spieler Benjamin Patch. „Er hat mein Leben verändert. Jede Person im Sport kann von ihm und seinen Werten lernen.“ Für ihn stelle Niroomand nicht nur einen Mentor, sondern auch eine Art Vaterfigur dar. „Kaweh musste hart arbeiten, um dahin zu gelangen, wo er heute ist, und hatte auf seinem Weg sicher auch mit Vorurteilen zu kämpfen. Das kann einen bitter machen, aber es kann einen auch stark und demütig machen und das ist bei Kaweh der Fall. Er wird besser und besser – selbst im Alter von 70 Jahren.“
Niroomand selbst sagt, dass er immer schon gern gearbeitet habe und nicht der Typ sei, der „einen auf Rentner macht und reisen geht oder über die Vergangenheit nachdenkt“. Niroomand hat nämlich noch so einiges vor: Er will die Volleyball-Liga voranbringen und mit den Volleys noch mehr Erfolge feiern. Aber auch viel Zeit mit der Familie steht auf dem Programm, insbesondere mit seinen Enkelkindern. Und was wünscht er sich zum Geburtstag? „Gesundheit. Das ist das allerwichtigste. Sonst bin ich ein zufriedener Mensch und wenn mir das bewahren kann, bin ich glücklich.“
Volleyball hat Niroomand übrigens schon seit dreißig Jahren nicht mehr gespielt. Dafür fehlte ihm lange die Zeit, heute ist er aus der Übung. Stattdessen ist er auf Golf und Walken umgestiegen. Die nächste Sporteinheit dürfte am Montagmorgen auf dem Programm stehen – aber erst nach einer großen Portion Frankfurter Kranz.
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