Junge Kunst im KW: Die nächste Generation stellt sich vor

Rund dreißig Jahre ist es her, dass Berlin erstmals wieder Anziehungspunkt für Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt wurde. Die gerade vereinigte Stadt war ein unbesetzter Raum – ein Eldorado für die Kunst. Was macht die nächste Generation, welche Themen verhandelt sie und wie kann sie sichtbar werden in der vielfältigen Szene?

Diese Fragen beschäftigten die drei arrivierten Künstler Willem de Rooij, Simon Denny und Angela Bulloch. 2016 gründeten sie das Mentoring Projekt „Berlin program for artists“ – BPA. Ausgangspunkt ist der wechselseitige Atelierbesuch von erfahrenen und aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern. Dieser Gedankenaustausch zwischen den Generationen mündet in einer jährlichen Ausstellung. Das Programm fördert jeweils ein Werk sowie eine Begleit-Publikation, so dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gerüstet sind für den nächsten Karriereschritt. Seit 2020 ist das KW Institute for Contemporary Art Heimat der BPA Exhibition.

Die Arbeiten der aktuellen Ausstellung befassen sich mit der Geschichte – der lokalen und der globalen Vergangenheit. Der amerikanische Künstler Benjamin Busch hat queere Clubs in Berlin im 3D- Scanner erfasst. Mit der VR-Brille kann man sich durch die flirrenden Lichter der nächtlichen Straßen navigieren, durch Gruppen angeregter Besucher bis zum Eingang der Clubs. In Interviews erzählen die Altvorderen von den Anfängen der Treffpunkte.

„Was ist zu Hause?“, will die thailändische Künstlerin Orawan Arunrak in ihrer ironisch heimeligen Arbeit wissen. Auf Pappteller hat sie Landschaftsidyllen gemalt. In der Ecke stehen Campingstühle und ein niedriger Tisch mit Gartenzwergen. In einem hölzernen Karteikasten sind tröstliche Gedichte gesammelt. „Light the Power“ oder „Garten der Einkehr“. Die Idylle gaukelt Sicherheit vor, aber das Zuhause wirkt in dieser biedermeierlichen Zuspitzung fremd.

Für die Familie aus Schweinfurth, die Julian Irlinger mit der Kamera beobachtet, ist die Metzgerei das zweite Zuhause. Hier arbeitet die ganze Familie Hand in Hand, der Betrieb gibt den Lebensrhythmus vor. Irlinger lässt seine Bilder wie eine Dia-Schau vorbeigleiten. In den Details, den Töpfen, den Würsten, den Metzgerhänden, zeigt er die Handgriffe eines aussterbenden Arbeitsmodells – des Familienbetriebs.

Die Werke in der facettenreichen Ausstellung hinterfragen die Bilder und ihre Bedeutung. „A house then, a museum now, chapter one: wind of 120 days” heißt ein Projekt von Shirin Mohammad. In Filmen ist eine aufgelassene Asbestfabrik im iranischen Baluchistan zu sehen. Hier weht 120 Tage ein Wind. Auf den Bildschirmen beginnt der Wüstensand die Fabrikruinen zu bedecken. Der Sand löscht auch die Spuren der Menschen, die hierher kamen, um Arbeit zu finden und den giftigen Asbeststaub einatmeten. Niemand weiß, wohin sie gegangen sind.

Auf viele Fragen bleiben die Antworten offen. Die ghanaisch-nigerianische Künstlerin Nnenna Onuoha zeigt noch einmal die Fotos der sogenannten „Biafra-Kinder“, die 1968 die Weltöffentlichkeit schockierten. Heute sind diese Kinder erwachsen, was ist aus ihnen geworden, wem gehören ihre Bilder?

Ihre Spannung gewinnt die Ausstellung, indem sie vertraute Details aus einer neuen Perspektive betrachtet. Die chinesische Künstlerin Tang Han entdeckte den befremdlichen Geruch der Ginkgo Nuss in den Straßen von Berlin. In ihrem Raum „Miss Ginkgo and Her Friends in Nature“ geht sie der Geschichte des Baumes nach, der noch vor den Dinosauriern auf der Erde war. Eine Führung am 11. Dezember lädt Interessierte ein, die Berliner Ginkgo Bäume kennen zu lernen. Mit anschließender Verkostung der gekochten Früchte. Sie sollen das Gedächtnis stärken – das passt zum Thema dieser hintergründigen Schau.

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