Festival „Goethe-Institut im Exil“: Ukrainische Kunst, Literatur und Musik im Kunsthaus Acud
Im Innenhof des Acud heulen die Sirenen. Aus den Boxen dröhnt Bombenlärm, die Fassaden verwandeln sich in Projektionsflächen für Bilder, an die viele sich hierzulande längst gewöhnt haben. Erschütterung hängt eben vom Grad der Betroffenheit ab.
Zerstörte Häuser, zerschmetterte Kulturgüter, verletzte Menschen sind zu sehen. Auf den Galerien und Balkonen stimmen Sänger:innen requiemartige Choräle an, dunkle Elektrosound vibrieren. Am Ende wird der Hof in blau-gelbes Licht getaucht, an der Wand ist eine so schlichte wie eindringliche Botschaft zu lesen: „Wir müssen diesen Krieg gemeinsam gewinnen.“
„Alarm“ heißt die Performance-Installation des ukrainischen Künstlers Vlad Troitskyi, Gründer des Center of Contemporary Art in Kiew. Gezeigt wird die Arbeit im Kontext des Programms „Goethe-Institut im Exil: Ukraine“, das noch bis Sonntag im Kunsthaus Acud Performances, Lesungen, Ausstellungen, Filmvorführungen und Diskussionen bietet.
Das Goethe-Institut hat zuletzt – aufgrund von Kriegen oder Repressionen – seine Arbeit in immer mehr Ländern einstellen müssen. Um dennoch den Kulturaustausch aufrechtzuerhalten, ist in Berlin das „Goethe-Institut im Exil“ geschaffen worden. Als Begegnungsort und Bühne für geflüchtete Künstler*innen.
Johannes Ebert, der Generalsekretär des Goethe-Instituts, erinnert an 2016, als schon das Goethe-Institut Damaskus ins Exil gehen musste. Damals hat er das Publikum auf Arabisch adressiert, jetzt, im Acud, spricht er ein paar Worte Ukrainisch. „Das zeigt, wie sich die Welt verändert hat. Nicht zum Besseren.“
An der Wand des Acud-Studios hängen großformatige, streng komponierte Schwarzweiß-Fotografien von Igor Gaidai, „Razom.ua“ heißt seine Ausstellung. Eins der Bilder zeigt das größte Frachtflugzeug der Welt, die Antonov An-225, die schon in der ersten Invasionswoche von russischer Artillerie getroffen wurde.
„Mrijya“ wurde der Flieger genannt, auf Deutsch „Traum“. „Russland mag unsere ‚Mriya’ zerstört haben“, twitterte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba, „aber sie werden nie unseren Traum von einem starken, freien und demokratischen europäischen Land zerstören.“
Das Programm konfrontiert vor allem jene Besucher:innen, die nicht aus der Ukraine stammen, immer wieder mit den eigenen Abwehrreflexen: Bilder wegschieben zu wollen, Begriffe für zu groß, zu pathetisch zu halten, den Krieg trotz allem für fern zu erklären. Die Performance „Bomb Shelter Night“, ebenfalls von Vlad Troitskyi inszeniert, dürfte eine besondere Herausforderung werden.
Von Samstag, 23 Uhr, bis zum frühen Sonntagmorgen macht der Regisseur die Zuschauer:innen zu Schutzsuchenden, konfrontiert sie mit realen Kriegserlebnissen und Sirenensound. Im Raum steht die Frage: Haben wir eine gemeinsame Sprache, um uns über diesen Krieg zu verständigen? Existiert eine solche Sprache überhaupt schon?
Nein, sagt der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan, der dieses Jahr den Friedenspreis der Deutschen Buchhandels erhält. Er liest aus seinem Band „Antenne“ und diskutiert mit Moderatorin Evgenija Lopata – unter anderem darüber, weshalb er die Rufe vieler nach dem neuen Hemingway oder dem neuen Remarque der ukrainischen Literatur für vergebens hält. „Dieser Rekurs auf das 20. Jahrhundert zeigt, dass wir nichts verstanden haben“, meint Zhadan. Wir leben in einer neuen Zeit.
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