1. FC Union zieht vorübergehend ins Olympiastadion: Berliner Bundesligist präsentiert Rekordgewinn und neue Stadionpläne
Am Ende eines herausragenden Fußballjahres 2022 war den Profis des 1. FC Union zuletzt etwas die Puste ausgegangen. Sportlich ging es mit einer heftigen Niederlage in die lange Winterpause, doch das interessierte spätestens nach wenigen Minuten der Mitgliederversammlung am Montagabend niemanden mehr.
Denn die Worte von Präsident Dirk Zingler im Tempodrom elektrisierten die Berliner Fans mindestens so sehr wie die sportlichen Erfolge der vergangenen Monate. „Es freut uns, dass sich der Verein in seiner Gesamtheit entwickelt, und dass wir auch bei unseren Infrastrukturprojekten vorankommen“, sagte Dirk Zingler. Zuerst präsentierte der Präsident Zahlen, die kaum weniger spektakulär waren als die Neuigkeiten zum Stadionausbau.
Mit 122,1 Millionen Euro nahm der Konzern – also der e.V. und alle seine Tochtergesellschaften – im Geschäftsjahr 2021/22 deutlich mehr ein als je zuvor. Allein bei der TV-Verwertung kassierte Union mit 49,6 Millionen Euro fast elf Millionen mehr als im Vorjahr. Auch die Einnahmen aus Sponsoring, Ticketverkauf, Merchandising und Prämien schossen in die Höhe. Das gilt zwar auch für die Ausgaben, allein die Gehaltszahlungen für die Lizenzspielerabteilung schlugen mit 43 Millionen Euro zu Buche, an den historischen Dimensionen des Geschäftsjahres ändert dies aber nichts.
12,7
Millionen Euro Gewinn machte Union in der Saison 2021/22
Nachdem Union in den vergangenen Spielzeiten wie alle Sportvereine sehr unter der Pandemie gelitten und tiefrote Zahlen geschrieben hatte, verzeichnete der Konzern nun einen Rekordgewinn von 12,7 Millionen Euro. „Wenn du sportlich erfolgreich bist, kannst du dich wirtschaftlich sanieren“, sagte Zingler.
Durch das positive Geschäftsergebnis reduzieren sich die Verbindlichkeiten (von 72 Millionen Euro auf 62) und das negative Eigenkapital (von 29,1 auf 16,3) deutlich. Die Planungen für die aktuelle Saison sehen mit 20,5 Millionen Euro einen noch höheren Gewinn vor, durch den Union „zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte“, wie Zingler sagte, positives Eigenkapital aufweisen würde. „Jahrelang waren unsere Schulden größer als unser Vermögen, das kippt jetzt.“
Der Präsident wollte diese Zahlen aber nicht überbewerten. Schon in den vergangenen Jahren hatte er vor allem die Investitionen in den Vordergrund gestellt. Auch weiterhin sei es die oberste Maxime, die sportliche Qualität zu erhöhen, um auf dem Platz erfolgreich sein zu können. Zudem stehe der Verein vor einem „Generationenprojekt“.
Am Montag vor einer Woche hat Union eine Option im Erbbaurechtsvertrag mit dem Land Berlin gezogen. Das Stadiongelände gehört nun dem Verein, zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht. Klar ist allerdings, dass sich die Umgebung in den kommenden Jahren deutlich verändern wird. Im Zentrum des Umbaus steht wie bekannt das Stadion, das eigentlich schon 2020 fertig ausgebaut sein sollte.
Diese Planungen hat der Verein nun deutlich angepasst. Entgegen dem ursprünglichen Projekt wird sich auch die Haupttribüne verändern. Dort soll eine vierte Etage aufgesetzt werden, um eine einheitliche Höhe des Daches zu erreichen. Die drei Stehplatztribünen werden gänzlich abgerissen und neu gebaut. Ein Erhalt der von vielen Fans mitgebauten Stadionteile sei aus statischen und bautechnischen Gründen nicht möglich, sagte Zingler.
Auf der Gegentribüne entstehen sowohl Steh- als auch Sitzplätze und weitere Logen. Die Kapazität werde bei etwa 37.500 Plätzen liegen. „Es wird eines der modernsten und schönsten Stadien in Europa sein“, sagte der Präsident.
Für die Zeit des Umbaus wird Union ins Olympiastadion umziehen, aktuell rechnet Zingler mit der gesamten Saison 2024/25. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben die Berliner aber vorsichtig werden lassen. Auf einen Eröffnungstermin will sich der Verein nicht festlegen.
„Wir werden den Klub nicht in Gefahr bringen, indem wir zu früh oder unkalkulierbar beginnen“, sagte der Präsident. Eine weitere Verschiebung wäre für den Verein kein Drama, denn es sei ein Projekt für die „nächsten 100 Jahre“. Im Frühjahr soll es eine Informationsveranstaltung mit Details zu den Abläufen und der Finanzierung geben.
Bevor am Stadion der erste Bagger anrollt, werden im Umfeld aber noch mehrere Bauprojekte realisiert. Ab dem Sommer 2023 wird das Forsthaus, in dem die Geschäftsführung und Präsident Zingler ihre Büros haben, saniert. Ebenfalls nach dem Ende der Saison entsteht ein Trainingszentrum für das Profiteam mit einem neuen, zweieinhalbstöckigen Funktionsgebäude und zwei Rasenplätzen.
Außerdem werden vor dem Stadion ein Parkhaus für 380 Pkw und 36 Busse sowie das Klubhaus mit Büros für zahlreiche Mitarbeiter und einer Fankneipe samt Dachterrasse gebaut. „Das soll alles fertig sein, bevor wir mit dem Stadionausbau beginnen“, sagte Zingler. Der Verein rechnet mit einer Bauzeit von zwölf bis 14 Monaten.
Die Investitionen in die Infrastruktur, zu denen auch das schon weit fortgeschrittene Nachwuchsleistungszentrum gehört, sollen den Verein in eine „neue Dimension“ katapultieren, sagte Zingler. Das gilt für die Arbeitsbedingungen, das Stadionerlebnis – und die Finanzen. „Unser Vermögen wird enorm wachsen in nächster Zeit“, sagte der zuständige Geschäftsführer Oskar Kosche.
Die turnusmäßigen Aufsichtsratswahlen verliefen deutlich weniger spektakulär als der vorherige Verlauf des Abends. Wie erwartet wählten die 1472 anwesenden Mitglieder (von mittlerweile 48.364) eine Liste von sieben Personen. Thomas Koch, Jochen Lesching, Karlheinz Nolte, Dr. Dirk Fischer, Dr. Christoph Schulte und Björn Böhning gehörten dem Aufsichtsrat bereits bisher an. Neu ist Marvin Kretzschmar, der von der Fan- und Mitgliederabteilung als Kandidat nominiert worden war und den Platz des langjährigen Fanvertreters Joachim „Ajax“ Müller einnimmt.
Zur Startseite