Käpt’n Eisbär darf so lange spielen, wie er will

Frank Hördler hat bei den Eisbären schon fast alles erlebt. Bei so einem Mann, der sieben nationale Meisterschaften mit demselben Klub gewonnen hat, noch eine neue Nuance beim achten Titelgewinn zu finden, ist daher schwer. Das war es aber am späten Freitagabend in der Arena am Ostbahnhof nicht, nachdem die Berliner ihren Titel mit dem 2:1 im entscheidenden Finalspiel gegen die Grizzlys Wolfsburg geholt hatten. Erstmals in seiner Karriere nämlich nahm der 36 Jahre alte Eishockeyprofi den Pokal der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) als Mannschaftskapitän der Eisbären entgegen.

Die Situation war dabei, ganz euphemistisch formuliert, ein bisschen anders als sonst. 14 200 Zuschauer fehlten, ihr Gejohle, ihr Gekreische, ihr Getobe. Ja einfach alles fehlte zur Party. Das bisschen Konfettiregen konnte die Gespensteratmosphäre rund um die Eisfläche nicht schönen. Und trotzdem sagte Frank Hördler: „Alle Meisterschaften, die ich mitgewonnen habe, haben ihre Geschichten. Aber dieser Titelgewinn wird mir besonders in Erinnerung bleiben, weil es eben eine verrückte Saison war.“

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Eine verrückte Saison, die Hördler allerdings so durchgerockt hat, als ob nichts wäre. Der Mann mit der Nummer 7 ist nicht nur die Konstante in der Verteidigung der Eisbären, er ist inzwischen der Eisbär überhaupt.

Frank Hördler ist der einzige Spieler, der bei allen acht Berliner Titeln mit dabei war. Die anderen Spieler aus seiner Generation lassen inzwischen entweder anderswo ihre Karriere ausklingen oder haben schon aufgehört, weil es einfach nicht mehr ging – wie sein langjähriger Wegbegleiter André Rankel, von dem Hördler vor der Saison nach dessen Karriereende das Kapitänsamt übernahm.

Seit 2003 spielt Frank Hördler bei den Eisbären

Auch diesen Job hat der zuverlässige Mann, geboren in Bad Muskau, zum Teil auch sozialisiert im fränkischen Selb, aber schon seit 2003 in Berlin, zuverlässig erfüllt. Nicht mit der Peitsche, sondern eher mit gutem Willen und flacher Hierarchie, wie er sagt. „Ich habe zwar das C auf der Brust getragen, aber alle Spieler haben Verantwortung übernommen, die wollten mit aller Macht so weit kommen. Da stand keiner unter mir.“

Mag sein, dass Hördler das so empfindet, obwohl seine Worte schon Gewicht haben bei den Eisbären – vor der Kabine und in der Kabine, da hat er sich von Jahr zu Jahr entwickelt. Reden kann er. Ein Satz wie „Wir müssen mehr Scheiben aufs Tor bringen“, Lieblingsfloskel vieler DEL-Profis im Interview, rutscht ihm nicht raus. Eisbären-Geschäftsführer Peter John Lee sagt über ihn: „Der Frank ist Wahnsinn, es ist einfach nur bewundernswert, wie er das alles macht. Ob in der Kabine oder auf dem Eis.“

Tatsächlich kam die Laufbahn des Frank Hördler ohne Dellen aus, obwohl er zu Beginn seiner Karriere nicht immer unumstritten war. Sein einstiger Trainer Pierre Pagé etwa schimpfte im Jahr 2005 in den Play-offs häufiger mal über den jungen Hördler – sein damaliger Co-Trainer Don Jackson aber verteidigte ihn jedes Mal. „Frank ist unser bester Verteidiger“, sagte Jackson. Und das, obwohl neben Hördler durchaus einige erfahrene Schwergewichtige im Kader waren. 2005 wurde Hördler mit den Eisbären dann auch erstmals Deutscher Meister.

Rauchverbot? Mark Zengerle (links) pafft drauf.Foto: Contrast/Imago

Liebling seiner Trainer wurde er danach nicht immer. Auch Uwe Krupp hatte in seiner Zeit bei den Eisbären etwas an Hördler auszusetzen. Später aber revidierte der Trainer sein Urteil. Frank Hördler hat ein unheimliches Durchhaltevermögen und er kann sich dem Niveau anpassen wie kaum ein anderer Spieler. Ob nun gegen Iserlohn oder gegen die kanadische Nationalmannschaft, Hördler kann immer so mitspielen und Aktionen setzen, wie es erforderlich ist, um zu gewinnen. Und er ist in den 18 Jahren seiner Profikarriere auch mitgewachsen, sein Spiel ist heute druckvoller als früher, seine Schüsse sind so hart und platziert, wie das für einen Spitzenverteidiger in der DEL nötig ist.

In der Plus-Minus-Statistik war er der beste Eisbär der Saison

Von den Scorerpunkten her gesehen war er nach Ryan McKiernan und Jonas Müller drittbester Verteidiger der Eisbären in der Hauptrunde der Pandemie-Saison, aber der Wert ist unerheblich, denn: In der Plus-Minus-Statistik, die aussagt, wie oft ein Spieler bei einem Tor oder Gegentor auf dem Eis steht, hatte er den besten Wert aller Berliner Spieler. Zwar wird der Wert diese Statistik von Eishockeyfreaks heutzutage angezweifelt – im Falle von Hördler allerdings lässt sich da nichts anzweifeln. Wenn er auf dem Eis steht, brennt bei den Eisbären wenig an.

Erster Titel in der DEL.Eisbären-Trainer Serge Aubin.Foto: Contrast/Imago

Bis zum Jahr 2018 war die deutsche Nationalmannschaft seine andere Mannschaft neben den Eisbären. Nach dem Gewinn der Olympischen Silbermedaille 2018 in Südkorea legten sie ihm beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) wohl nahe, diesen Teil der Karriere zu beenden – andernorts schätzt man das wohl als Fehler ein. Die kanadische Eishockeyfachzeitung „Hockey News“ etwa spekulierte kürzlich über den deutschen Olympiakader für 2022 – mit im Team: Frank Hördler. Auch sein einstiger Mannschaftskollege bei den Eisbären, der Weltklassestürmer Daniel Briére, 2012/2013 während des Tarifstreits in der National Hockey-League (NHL), sagte: „Ich verstehe nicht, warum der Frank es nicht in der NHL versucht hat. Er könnte da mitspielen.“

Hätte er machen können, der Frank Hördler. Aber so etwas Besonderes wie jetzt hätte der Mann, der für die Eisbären auch ein paar Schneidezähne gelassen hat, nicht. Und ein Ende der Geschichte von Frank Hördler bei den Eisbären ist noch nicht in Sicht, sein Vertrag wird mindestens noch ein Jahr laufen. Geschäftsführer Peter John Lee sagt: „Frank kann bei uns so lange spielen, wie er will. Er ist Teil der Familie.“