Zu viel Fußball und Olympia im Fernsehen?: Ohne Sport ist auch keine Lösung
Die Direktorin des Grimme-Instituts, Frauke Gerlach, fordert im „NRZ“-Interview ARD und ZDF dazu auf, auf Übertragungsrechte für Fußball-WM, Olympia und andere sportliche Großereignisse zu verzichten. Das sei etwas, das sich der ÖRR „perspektivisch nicht mehr leisten kann und nicht mehr leisten wird“.
Enorm teuer
Wahr ist, dass solche Großereignisse große Summen an Beitragsgeldern verschlingen. Die Übertragungsrechte für die Männer-Fußball-WM in Katar haben 220 Millionen Euro gekostet. Ein Vier-Wochen-Programm, schon nach wenigen Tagen war die deutsche Mannschaft ausgeschieden, aber die Öffentlich-Rechtlichen haben unverdrossen bis zum Finale übertragen. War dieses Ereignis, wenn es denn eines wahr, diese Investition wert?
Sport ist Konkurrenz, Sport im Fernsehen nichts anderes. Aber nicht immer. Um eine WM in Katar gab es nicht den großen Wettbewerb, attraktiver Fernsehsport verlangt attraktive Übertragungszeiten. Sind die nicht gegeben, interessieren sich die privaten Veranstalter nicht. Siehe die Frauen-Fußball-WM. Da hatten ARD und ZDF mit der Fifa um die TV-Lizenz zu streiten, RTL & Co. waren als Preistreiber nicht dabei.
Bestimmt eine Mehrheit der Betragszahlerinnen und Beitragszahler, dass eine Fußball-WM oder Olympia nicht hinter der Pay-Schranke verschwindet, sondern im Free-TV übertragen wird? Würden ARD und ZDF darauf verzichten, hätten sie eine Diskussion am Hals, die nicht nur die Berechtigung von Sport, sondern den gesamten Daseinszweck des öffentlich-rechtlichen Systems infrage stellen würde. Und an dieser Konstante kommt niemand vorbei: Jeder und jede, die 18,36 Euro monatlichen Rundfunkbeitrag bezahlen, erwartet mit Recht, dass sich seine Interessen und Bedürfnisse im Fernsehangebot wiederfinden.
Also Sport im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Auch deswegen, weil Übertragungen von Spitzensport auf große Resonanz und Akzeptanz stoßen, siehe nur die hervorragenden Quoten der Leichtathletik-WM. Auch die Sportverbände wollen Reichweite im Free-TV. Die laufende Basketball-WM zeigt bislang live und exklusiv MagentaSports. Nachdem das deutsche Team die K.o.-Runde erreicht hat, ist die Telekom nach eigenen Angaben bereit, Live-Rechte an den Spielen der deutschen Auswahl weiterzuverkaufen.
Sollen, müssen ARD und ZDF zuschlagen? Für die Fans steht die Antwort fest, aber für alle anderen Beitragszahler? Die Zeiten sind vorbei, als die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Ansager TV-Sport-Business waren. Der Wettbewerb mit Pay-TV und Streaming-Plattformen hat die Preise beim Fußball – die unangefochtene Nummer eins im Fernsehsport – explodieren lassen. ARD & Co. leisten dementsprechend Verzicht: weniger Länderspiele, Champions League nur noch als ZDF-Zusammenfassung.
Priorisierung ist gefragt
Profisport aus den öffentlich-rechtlichen Programmen zu verbannen, ist keine Lösung. Das Zauberwort heißt Priorisierung: Welcher Sportwettbewerb, welches Sportereignis ist es wert, dass die Übertragungsrechte für zig Millionen eingekauft werden? Wo bieten sich Kooperationen mit privaten Sendern und Streamingdiensten an? Was muss in den Hauptprogrammen laufen? Die Hockey-WM wurde in den Mediatheken übertragen, darüber musste sich keiner beschweren.
Natürlich ist das sportbegeisterte Publikum verwöhnt. Wo die Sportart populär ist, die Einschaltquoten hoch und die Lizenzen teuer sind, wird live übertragen. Dafür wird jedes andere Programm gnadenlos weggeräumt. Beispiel: Als die ARD die wenig interessante Pokalbegegnung VFL Osnabrück gegen 1. FC Köln übertrug, wurde die Talkshow „hart aber fair“ erst um 23 Uhr 15 gezeigt.
Da hätten sich andere Lösungen angeboten: Das Fußballspiel wandert in die Mediathek oder die Talkshow steht dort zur gewohnten Zeit um 21 Uhr auf dem Programm. Hier kann schlauer gedacht und gemacht werden, als mit Fußball wieder brachiale Programmverunstaltung zu betreiben.
So könnte ein Schuh draus werden. Sport ja, Livesport ja, aber eben nicht auf Kosten eines Programmauftrags, der Kultur, Bildung, Information und Unterhaltung heißt. Sport ist im besten Fall von allem ein bisschen, aber eines ist er nicht: Ein Programm, das Kultur, Bildung, Information und Unterhaltung verdrängen, sprich übertrumpfen muss. Dann wird Fernsehsport zum Fernsehmord.
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