„Wir haben gerade dieses Virus“: Alba Berlin wirft den nächsten Sieg von der Freiwurflinie weg

Gabriele Procida sah, wie auch sein zweiter Versuch von der Freiwurflinie das Ziel verfehlte, und verzog das Gesicht. Es war ein Ausdruck des Schmerzes, nachdem der Italiener in Diensten von Alba zuvor beim Zug zum Korb heftig auf die Hüfte gekracht war. Doch seine leidende Mimik eignete sich auch als Symbolbild für die Berliner Gefühlswelt. Bei der 84:88-Heimniederlage in der Euroleague gegen Roter Stern Belgrad traf Alba nur 13 von 25 Freiwürfen, wie schon vor zwei Wochen gegen Bayern München kostete die miserable Quote von 52 Prozent den Sieg. „Die vergebene Freiwürfe haben uns heute gekillt“, sagte Jaleen Smith.

Nachdem die Berliner mit drei Siegen zum Auftakt bereits als potenzielles Überraschungsteam dieser Euroleague-Saison gehandelt wurden, ist die Stimmung nach der sechsten Niederlage in Folge deutlich gedrückt. Zumal schon an diesem Donnerstag (20 Uhr, Magentasport) gegen Olympiakos Piräus ein unheimlich schweres Auswärtsspiel ansteht. Bei Alba brechen sie jetzt zwar ebenso wenig in Panik aus wie nach dem Saisonstart in Jubel, doch gerade die Heimniederlagen gegen München und Belgrad schmerzen sehr.

„Es tut mir leid für die Spieler“, sagte Trainer Israel Gonzalez, der den Einsatzwillen seines Teams lobte. Über weite Strecken hatte Alba das Spiel im Griff und hätte klarer führen müssen, aber am Ende waren es die Nerven und die nachlassenden Kräfte, die den Sieg kosteten. „Ich bin nicht unzufrieden mit dem Spiel, aber wir müssen effektiver sein, um zu gewinnen“, sagte Gonzalez.

In der Bundesliga kann sich Alba kleinere Schwächephasen leisten und auch die Ausfälle von wichtigen Spielern wie Louis Olinde, Marcus Eriksson und Jonas Mattisseck kompensieren. Mit sechs Siegen stehen die Berliner ungeschlagen an der Spitze. Die Gegner in der Euroleague verzeihen jedoch keine Fehler und so zeigt der Trend international eindeutig nach unten.

Die größten Berliner Baustellen sind nicht schwer zu finden, in aller erster Linie die Konzentrationsprobleme von der Freiwurflinie. Gegen Belgrad waren es vor allem die vermeintlich sicheren Werfer, die schmerzhafte Fehlversuche fabrizierten. Jaleen Smith war mit 23 Punkten zwar Topscorer, scheiterte in der Verlängerung aber zwei Mal von der Linie. Tamir Blatt hatte in der vergangenen Saison alle seine 18 Freiwürfe versenkt, ließ am Dienstag aber einen liegen. Noch schlimmer erging es Maodo Lo und Procida, die innerhalb weniger Minuten je zweimal scheiterten und im Publikum für verzweifeltes Kopfschütteln sorgten.

Eine Erklärung für die mysteriösen Schwächen hatte kurz nach dem Spiel niemand parat. „Die letzten Spiele habe ich ziemlich schlecht geworfen von der Freiwurflinie, das beschäftigt einen“, sagte Smith. Da helfe nur Training, Training, Training. Daran haperte es in der vergangenen Wochen aber nicht. Alba hatte ungewohnt viel Zeit, um ausführlich am eigenen Spiel zu feilen. „Wir üben Freiwürfe in jedem Training und treffen sie dort normal“, sagte Coach Gonzalez und fügte in Ermangelung einer logischen Erklärung hinzu: „Wir haben gerade dieses Virus.“ Besonders besorgt ist der Spanier deshalb aber nicht.

Das gilt auch für einen weiteren Problemfall. Point Guard Maodo Lo ist nach seiner hartnäckigen Sprunggelenksverletzung zwar wieder spielfähig, aber meilenweit von seiner Normalform entfernt. Das zeigte sich gegen Belgrad nicht nur an den zwei vergebenen Freiwürfen, sondern vor allem an seinem ungewöhnlich geringen Einfluss auf das Spiel. Um mit seinen gefürchteten Dribblings am Gegner vorbeizukommen, fehlt ihm aktuell die Spritzigkeit, und das Vertrauen in den eigenen Wurf ist ebenfalls noch nicht wieder da.

„Manchmal müssen wir im Spiel etwas opfern, weil ein Spieler auf dem Feld steht, der nicht in optimaler Verfassung ist“, sagte Gonzalez. „Aber Maodo ist sehr wichtig für uns und ich hoffe, dass er bald wieder gut spielen wird.“ Bis der Nationalspieler wieder voll im Rhythmus ist, hängt die Kreativität im Angriff größtenteils von Blatt und Kapitän Luke Sikma ab.

Doch nicht alles war negativ gegen Belgrad. Ben Lammers zeigte nach einer von Verletzungen geprägten vergangenen Saison und einem unauffälligen Start in die aktuelle Spielzeit die beste Leistung seit langem. Der 27 Jahre alte Center agierte im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen extrem effizient und erzielte sechs seiner zwölf Punkte aus der Distanz.

Sollte er seinem Spiel neben dem sicheren Mitteldistanzwurf tatsächlich einen halbwegs konstanten Dreier hinzugefügt haben, könnte er Albas Offensive eine Facette geben, die bisher nicht vorhanden war. Denn Christ Koumadje und Yanni Wetzell haben ihre Stärken im Abschluss ausschließlich in der Zone. Schon am Donnerstag hat Lammers in Piräus die Gelegenheit, diese Fortschritte zu bestätigen – und seine Kollegen können zeigen, dass die 52 Prozent Trefferquote von der Freiwurflinie nur ein schmerzhafter Ausrutscher war.

Zur Startseite