Wie Liebe aussehen kann – Porträtfotos aus der ganzen Welt
Alles begann auf einem Schiff Richtung Antarktis. Der kroatische Fotograf Davor Rostuhar erblickte die Bucht, an der sie ankern sollten. Eisschollen trieben auf dem Meer, mitten in der Nacht war es taghell.
Dann rief er seine damalige Freundin und Reisegefährtin Anđela aufs Deck. Davor machte ihr einen Heiratsantrag, und sie sagte ja. Das frische verlobte Paar feierte mit dem besten Wein im Speisesaal unter Deck.
„Vielleicht können unsere Flitterwochen ein ganzes Jahr lang dauern und wir können gehen, wohin auch immer wir wollen!“, sagte Davor zu Anđela – so zumindest beschreibt der Fotograf die Erinnerung im Rückblick auf seine Ausstellung „Love Around The World“.
Davor machte Anđela einen Vorschlag für das Flitterjahr: „Ich wollte schon immer das Wesen der Liebe auf der ganzen Welt ergründen.“ Er stelle sich vor, mit Menschen aus diversen Kulturen darüber zu reden, was Liebe und Beziehungen ihnen bedeuten.
„Klar!“, soll Anđela gesagt haben, nachdem sie eine Weile darüber nachgedacht hat. „Liebe auf der ganzen Welt, ich mag die Idee.“ Von Januar bis Dezember 2019 reisten die beiden um die Welt, porträtierten fotografisch Paare und andere Beziehungsformen und befragten zahlreiche Menschen.
Ein weites Spektrum von Liebe ist dargestellt
Angefangen in Kroatien reisten sie in 30 Länder, darunter Kirgisistan, Saudi Arabien und die Salomonen im Südpazifik. Insgesamt führten sie 120 Interviews. Das Ergebnis lässt sich ab Samstag in einer Fotoausstellung der Berliner Galerie „f³ – freiraum für fotografie“ in Neukölln begutachten.
Mit ihrer Ausstellung haben die Rostuhars die „Liebe“ in ihrer gesamten Spannbreite erkundet: von tragisch, platonisch, archaisch und widerständig bis hin zu toxisch ist fast alles dabei. Eines dieser Porträtfotos zeigt zum Beispiel Nahid (34) und Nazanin (27), ein lesbisches Paar aus dem Iran.
In dem Land gilt bis heute die Todesstrafe für Homosexuelle. Das Paar, eng aneinander angeschmiegt, Händchen haltend, blickt mit einem unbekümmerten Lächeln in die Kamera. „Man kann sich nicht einfach aussuchen, in wen man sich verliebt“, sagte Nazanin dem Fotografen-Paar im Interview. „Die Liebe brennt sich in dich hinein wie ein Funke und setzt dein ganzes Wesen in Brand.“
Dann wiederum gibt es Beziehungen, in der die Liebe nicht einmal über die Lippen der Paare kommt. Wie bei Teuro (92) und Michiko (88) aus Japan. „Er wohnte in meiner Nähe und sah gut aus, also habe ich seinen Heiratsantrag angenommen“, erklärte Michiko. In ihren 67 gemeinsamen Ehejahren sollen sie nie darüber nachgedacht haben, was das eigentlich ist – die Liebe.
Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte Davor Rostuhar: „Liebe ist universell und jeder Mensch ist dazu fähig, egal in welche Kultur und Gesellschaft er geboren ist. In welcher Form die Liebe daherkommt und welche Rolle Gefühle dabei spielen, kann jedoch völlig unterschiedlich sein.“
Ausgewählt wurden die porträtierten Menschen dem 39-Jährigen zufolge danach, dass sie eine der vielen Beziehungsformen repräsentieren – also zum Beispiel monogam, queer, polyamorös oder auch die arrangierte Ehe.
„Am meisten waren wir über Menschen überrascht, die in einer Beziehung mit Puppen leben, zum Beispiel wie in Japan oder in den USA. Diese Puppen besaßen zum Teil eine künstliche Intelligenz, die Liebhaber konnten mit ihnen sprechen.“
Die männlichen Puppen haben die Bezeichung Android, die weiblichen werden als Gynoid bezeichnet. „In 30 bis 40 Jahren könnte es so weit sein, dass diese Puppen nicht mehr von Menschen zu unterscheiden sind, haben uns die Liebhaber gesagt.“
Ob mit oder ohne Puppen: Das Fotografenpaar Davor und Anđela Rostuhar hat mit seiner Ausstellung und der bestechend einfachen Frage – Was ist Liebe? – ein Werk geschaffen, an das so gut wie alle Menschen anknüpfen können.
Zwar positionieren die Rostuhars die Paare und anderen Beziehungskonstellationen auf den Porträtfotos immer auf dieselbe Art und Weise. Mangels Abwechslung kann das Interesse an den Fotos mit der Zeit deshalb abnehmen.
Doch die Liebes- und Nicht-Liebesgeschichten hinter den Fotos bleiben allesamt auf ihre eigene Art und Weise herzergreifend. Die vorbehaltlose Darstellung von Liebe und die Vielfalt des weltumspannenden Werks machen die Ausstellung des Fotografenpaars zu einem niedrigschwelligen und bereichernden Kulturerlebnis.
Die Ausstellung „Love Around The World“ ist vom 04. Dezember 2021 bis zum 20. Februar 2022 im „f³ – freiraum für fotografie“ zu sehen. Der Eintritt kostet 5 Euro. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 13 bis 19 Uhr.