Vorlese-Band von Jan Weiler: Jetzt aber schnell

Wer immer dieses Buch vorliest, sollte erstmal tief Luft holen. Der sechsjährige Schulanfänger Max, Held dieser Erzählungen, gehört nämlich zu diesen Quasselstrippen und Assoziationsketten-Virtuosen, die ohne Punkt und Komma erzählen, die lossprudeln und laut nachdenken und sich reinschrauben in einen Ärger oder ein Staunen und gar nicht mehr runterkommen – bis sie dann doch mal eine kurze Verschnaufpause brauchen.

Max ist schnell, nicht nur im Kopf: Im Winter, wenn es glatt ist draußen, schnappt er sich auf dem Schulweg seine Brotdose und funktioniert sie zum Schlittschuh um, damit er auf den gefrorenen Pfützen davonflitzen kann. Und als sich bei den Weihnachtsgeschenken statt des sehnlich gewünschten Hasen nur ein Hamster findet, ist der Gedanke an Ostern nicht weit. Er könnte ja den Osterhasen fangen, auch wenn es dann eng wird im Hamsterkäfig.

Das geht wie der geölte Blitz, würde Max sagen. Deshalb fängt jede der 36 Ich-Geschichten mit „Also“ an und geht in einem Satz durch. Atemlos durch den Alltag, ob es ums Schulbrote-Tauschen in der großen Pause geht, den Stress am Nachmittag (Judo, Klavierstunde, Oma besuchen, Playstation, Simpsons gucken: Da bleibt echt keine Zeit für Hausaufgaben), das Verspeisen eines Regenwurms mit Ketchup oder den Versuch, eine Schneeflocke unters Mikroskop zu legen.

Bestseller-Autor Jan Weiler („Maria, ihm schmeckt’s nicht“, „Das Pubertier“) hat ein 117-Seiten-Buch mit 36 Sätzen veröffentlicht. Oder genauer, er hat recycelt und erweitert. Dreiviertel der Geschichten stammen aus älteren Max-Büchern, die bei Rowohlt erschienen sind und ihrerseits auf einer Lehrermagazin-Kolumne von Weiler beruhen, mit dem Titel „Max in einem Satz“.

Am schönsten sind Max‘ Endlos-Tiraden, wenn er Erwachsenen-Sätze einflicht – etwa darüber, dass einem beim Silvester-Knallen der Arm abfliegen kann – und sich seinen Reim darauf macht. Gar nicht so einfach, die Erwachsenen zuverstehen. arumliegt das Eis im Winter zwar auf der Straße, nicht aber wie im Sommer im Kühlschrank? Warum werden im Sommer nie Plätzchen gebacken, Tannenbaumkekse am Strand wären doch super?

Jan Weilers Vorlesebuch, das Cover.
Jan Weilers Vorlesebuch, das Cover.
© Foto: Hanser Verlag/Illustration: Ole Könnecke

Überhaupt, die Sache mit den Süßigkeiten. . Man soll immer nur eine am Tag essen, aber die Schultüte ist randvoll damit, wie logisch ist das denn? Schon ärgerlich, dass mehr Vitamine im Rosenkohl stecken als in der Schokolade. 

Die Erwachsenen machen jedenfalls komische Sachen. Riechen beim Familienfest wie Putzmittel mit Zitronenduft, wollen nicht, dass man auf den Teppich vor dem Sofa kleckert, hocken abends aber selber mit Rotwein vor dem Sofa und kichern. Oder die Schlafliedzeile „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt“. Und was passiert, wenn Gott nicht will – wie bitte soll man bei dem Gedanken zur Ruhe kommen?

Die Zeichnungen zu den Max-Monologen stammen von Ole Könnecke. Strich-Figuren, rot und weiß wie Ketchup und Mayo, etwas grau und rosa dazu, frech wie Loriot. Besonders amüsant der entsetzlich gelangweilte Max, hingestreckt neben Ben, dem entsetzlich gelangweilten Familienhund. Wenn Max beim Weihnachtsschulfest Klavier spielt, sieht er ein bisschen aus wie Schröder von den Peanuts, und „Der kleine Nick“ von René Goscinny kommt einem auch in den Sinn. Ab Seite 64 trägt Max Brille.

Apropos früher: Der Witz, den Weiler, Jahrgang 1967, seinem Helden andichtet, müffelt leider gewaltig. Mama ist streng, für die Küche und fürs Bügeln zuständig, kann aber keine Marmeladengläser aufschrauben. Papa mäht den Rasen und ist viel toleranter, wenn Max im Supermarkt Wackelpudding und Gummischlangen in den Einkaufswagen legt. Die Schwester spielt mit Barbies, wobei Max sich darüber ärgert, dass der Barbie-Mann nicht als außerirdisches Monster taugt. Eine schrecklich altbackene Familie.

Die stereotypen Rollenzuschreibungen ziehen sich durch

Vielleicht liegt es am Alter der meisten Geschichten, die stereotypen Rollenzuschreibungen ziehen sich jedenfalls durch. Die Mädchen gewinnen beim Fußball nicht, weil sie gut sind, sondern weil sie tricksen. Die Klassenlehrerin ist hübsch, Papa findet sie toll, Mama nicht. Mama sagt, dass Papa am liebsten so eine Frau hätte wie die Schneefrau mit den Busenbällen: eine, die stumm ist, mit viel Holz vor der Hütte. Kino findet Max toll, weil man da auf dem Klo im Stehen pinkeln und auf die Fliege im Pissoir zielen darf.

Einmal schimpft Mama, dass die Silvesterböller Geldverschwendung seien. Dabei ist ihr Parfüm genauso teuer und es knallt nicht mal, findet Max. Bitte, wie blöd ist das denn.

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