Vor dem Viertelfinale der Handball-WM: Respekt vor dem Team Erfahrung

Manchmal sind es die kleinen Feinheiten. Dieser eine Pass, der trotz einer scheinbar unüberwindbaren Abwehr an den Kreis findet. Das geniale Auge für die vorher nicht erkennbare Lücke. Oder ein aus einer verzögerten Spielsituation unerwartet schnelles Eins-gegen-Eins, das den entsprechenden Vorteil bringt. Einer, der all dies par excellence beherrscht, ist Nikola Karabatic. Der Mann, der den französischen Handball geprägt hat, wie kein anderer. Der Ausnahmesportler, der seit über 20 Jahren die große Bühne bespielt.

„Ich bin einfach glücklich, dieses blaue Trikot zu tragen und meinen Traum leben zu können. Es macht mich stolz, weiter mit den Jungen mithalten zu können. Mal schauen, wie lange das noch geht”, erzählte Karabatic jüngst am Rande der Weltmeisterschaft in Katowice. Im April wird er 39 Jahre alt – und wenngleich er nicht mehr die Schnelligkeit seiner Anfangsjahre besitzt, allein schon seine Ausstrahlung ist bis dato ungebrochen.

„Für mich ist er mit Abstand der größte Handballer aller Zeiten. Ich habe ihn von Kindheit an beobachtet und auch versucht, mir da einiges abzuschauen”, sagte Deutschlands Spielmacher Juri Knorr vor dem Aufeinandertreffen der beiden am Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF) beim Viertelfinale in Danzig. „Im Spiel denkt man darüber nicht nach, aber es ist schon etwas Besonderes, dass ich jetzt gegen ihn und die vielen anderen bekannten Namen da im Team spielen darf. Das ist wahrscheinlich das größte Spiel meiner Karriere.”

Zum Vergleich: Für den 22-Jährigen Knorr ist es das erste Viertelfinale überhaupt. Als Karabatic in Knorrs Alter war, hatte er bereits die Champions League, die deutsche und mehrmals die französische Meisterschaft sowie WM-Bronze und eine Europameisterschaft gewonnen. Mittlerweile ist es für den in Serbien geborenen Rückraumspieler das 25. Großturnier seiner langen Laufbahn.

Das nahezu gesamte Team der Franzosen ist hochkarätig besetzt

Über Erfahrungswerte muss also wenig bis gar nicht gesprochen werden. Und das ist nicht nur in Bezug auf Karabatic der Fall. Denn nahezu die gesamte Équipe ist hochkarätig und mit international erprobten Spielern besetzt, die in Deutschland wahrscheinlich nur eine kleine Hürde auf dem Weg ins Halbfinale beziehungsweise zur nächsten Medaille sehen.

Knorr und Co. mussten hingegen nach der 26:28-Niederlage gegen durchwachsen auftretende Norweger am Montag feststellen, dass im Vergleich zur erweiterten Weltspitze nicht alles passt. Dass die Rückraum-Halben zu wenig überzeugt haben. Dass die Defensive zunächst überhaupt nicht griff. Dass die Effizienz zu wünschen übrigließ. „Wir wissen, dass wir mit so einer Leistung gegen Frankreich keine Chance haben. Ich bin mir trotzdem sicher, dass wir ein anderes Gesicht zeigen können”, sagte Knorr, der Deutschland gegen die Skandinavier in der ersten Halbzeit fast im Alleingang im Spiel gehalten hatte.

Auf die deutsche Abwehr wird einiges zukommen im Viertelfinale

Im zweiten Durchgang ging ihm allerdings etwas die Kraft aus – und hier könnte ein weiterer Faktor liegen, der für die Franzosen spricht. Die hatten nämlich nicht nur einen Tag mehr, um zu regenerieren, sondern konnten beim 28:26-Sieg gegen Spanien am Sonntag einige Spieler schonen. Zum Beispiel Nikola Karabatic.

„Vielleicht unterschätzen sie uns aber etwas”, rechnet sich Knorr eine zusätzliche Chance aus, weiß aber, dass er und sein Team im Duell mit dem Olympiasieger ihr Leistungsoptimum erreichen müssen. Oder, wie es Torhüter Andreas Wolff ausdrückte, „dass den jungen Spielern nicht gleich der Kopf irgendwo steht”, weil sie von der individuellen Klasse übermannt werden. Denn, dass auf die Abwehr einiges zukommt, steht außer Frage.

Genauso, wie die Wichtigkeit des Torhüter-Duells, bei dem sich der deutsche Schlussmann durchaus einen Positionsgewinn ausrechnen darf. Vor allem könnte es jedoch auf die Feinheiten, auf das gewisse Extra ankommen.

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