Vladimir Darida und sein Abschied von Hertha BSC: Mehr als ein Laufwunder

Vladimir Darida befand sich auf dem Egotrip, und vermutlich war das auch besser so. Zumindest für seine Mitspieler.

Das Ganze liegt schon eine Zeit zurück, fast fünfeinhalb Jahre, um genau zu sein. Hertha BSC bereitete sich in einem Lauftrainingslager in Bad Saarow auf die neue Saison vor, und am Ende einer schweißtreibenden Einheit, in der die Spieler des Berliner Bundesligisten den Ball nur aus der Ferne zu Gesicht bekommen hatten, wurden sie noch einmal um den Platz gescheucht: sieben Kilometer in extensivem Tempo, verteilt auf mehrere Intervalle. Die Mannschaft machte sich auf den Weg, gegen den Uhrzeigersinn. Vladimir Darida startete in die entgegengesetzte Richtung. Alleine.

Vielleicht wollte er niemanden bloßstellen.

Als seine Kollegen schon schwer atmeten und ihre Oberkörper hin- und herschaukelten, lief Darida, als wäre es nichts. Wie eine gut geölte Nähmaschine ratterte er um den Platz. „Er ist ein Mutant“, scherzte Trainer Pal Dardai, der selbst als Fußballer alles andere als lauffaul gewesen war. Aber wenn er Vladimir Darida zuschaue, „muss ich mich schämen“.

Er kam und hat direkt funktioniert.

Fabian Lustenberger über die Anfänge von Darida bei Hertha BSC

Der Tscheche hält den Bundesligarekord für die höchste Laufleistung, die jemals gemessen wurden. 14,65 Kilometer legte er im Juni 2020 gegen Borussia Dortmund zurück und übertraf damit die erst seit einer Woche bestehende Bestmarke von 14,34 Kilometern, aufgestellt von einem gewissen Vladimir Darida.

„Der Junge ist richtig fit“, sagt sein früherer Kollege Fabian Lustenberger, der inzwischen für Young Boys Bern in seiner Schweizer Heimat spielt. „Vladi war sehr, sehr wichtig für uns, weil er unglaublich viel gearbeitet hat.“ Doch Darida allein auf seine Laufleistung zu reduzieren, das würde ihm nicht gerecht werden. Kicken kann er auch.

190 Pflichtspiele hat er für die Berliner bestritten und 16 Tore erzielt, seitdem er im Sommer 2015 für 3,8 Millionen Euro vom SC Freiburg gekommen ist. Aber weitere werden wohl nicht mehr hinzukommen.

Das berühmte schiefe Dreieck, bestehend aus Fabian Lustenberger, Per Skjelbred und Vladimir Darida (von links).
Das berühmte schiefe Dreieck, bestehend aus Fabian Lustenberger, Per Skjelbred und Vladimir Darida (von links).
© imago/Metodi Popow

Als Hertha am Mittwoch gegen den Zweitligisten Eintracht Braunschweig das letzte Testspiel vor dem Weihnachtsurlaub bestritt, war der 32 Jahre alte Tscheche offiziell freigestellt, um sich um einen Vereinswechsel zu kümmern. Sportgeschäftsführer Fredi Bobic hatte schon zuvor erklärt, dass der Deal in Kürze über die Bühne gehen werde. Bei Daridas neuem Klub soll es sich um den griechischen Erstligisten Aris Saloniki handeln.

„Er hat was Großartiges hinterlassen“, sagt Herthas Trainer Sandro Schwarz, der den früheren tschechischen Nationalspieler (76 Länderspiele) nur ein halbes Jahr trainiert hat. Es war keine leichte Zeit für Darida, dessen Vertrag bei Hertha noch bis Ende der Saison läuft. Viermal ist er seit dem Sommer zum Einsatz gekommen. Einmal im Pokal, dreimal in der Liga, zuletzt Mitte September und jedes Mal als Einwechselspieler. Insgesamt hat er in dieser Saison nur 50 Minuten auf dem Feld gestanden; in den letzten fünf Bundesligaspielen schaffte er es nicht einmal mehr in den Kader.

190

Pflichtspiele hat Darida für Hertha bestritten

Darida hat seinen Frust trotzdem nicht nach außen getragen. Natürlich habe es das eine oder andere Gespräch über seine Situation gegeben, berichtet Schwarz. Aber Herthas Trainer kann nichts Negatives über den Mittelfeldspieler sagen. Darida sei „ein grandioser Mensch, wenn man das nach den paar Monaten beurteilen kann“, sagt Schwarz. Ein Vorbild auch, was professionelles Verhalten angehe, und im Training immer noch einer der Fleißigsten. „Das ist schon außergewöhnlich.“

Darida hat bei Hertha Spuren hinterlassen, obwohl oder gerade weil er nie den größten Namen hatte. Fabian Lustenberger erinnert sich noch an die Anfänge im Sommer 2015. „Er kam. Und war da“, sagt er am Telefon. Darida war zuvor nicht als spektakulärer Fußballer aufgefallen. „Aber er hat direkt performt und funktioniert“, erinnert sich Lustenberger. „Das war beeindruckend.“

Vor allem in der Saison 2015/16, als Hertha, im Vorjahr noch Abstiegskandidat, die Hinrunde auf einem Champions-League-Platz beendete. Darida, Lustenberger und – als Dritter im Bunde – Per Skjelbred bildeten im Mittelfeld das von Trainer Dardai so titulierte schiefe Dreieck. „Das war eine Kombination, die gepasst hat“, sagt Lustenberger, obwohl sich die drei Mittelfeldspieler in ihren Anlagen eigentlich zu ähnlich waren: alle eher Sechser oder Achter als Zehner.

Warum es trotzdem funktioniert hat? „Wir waren alle drei Spieler, die nicht auf sich selbst geschaut haben“, sagt Lustenberger. Das schiefe Dreieck lebte von der taktischen Intelligenz ihrer Mitglieder. „Es ist viel Kopfarbeit: schauen und denken“, hat Darida einmal erklärt. Und laufen natürlich.

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