Unions Euphorie hält noch mindestens eine Woche an

Die Rauchwolken von der Pyrotechnik verzogen sich schnell in den finnischen Abendhimmel. Die Wolke Sieben, auf der der 1. FC Union diese Woche schwebt, dürfte etwas länger halten. Am Donnerstag standen die Spieler des Köpenicker Bundesligisten Arm in Arm vor den mitgereisten Fans im Olympiastadion von Helsinki und hüpften auf der nassen Tartanbahn zum Rhythmus schallender „Eisern-Union“-Gesänge. Ein Moment purer, zusammen erlebter Freude, den es in den letzten anderthalb Jahren aus guten und bekannten Gründen nur sehr selten gegeben hat.
„Es war schon ein gutes Gefühl, auswärts wieder Union-Gesänge zu hören“, sagte Kapitän Christopher Trimmel nach dem 4:0-Sieg gegen Kuopion Palloseura im Play-off-Hinspiel um die Teilnahme an der Conference League. „Es war eine super Stimmung im Stadion. Danke an die Fans, es war wieder hervorragend. Ein sehr gelungener Auftakt.“

Einen besseren Auftakt in die neue Saison hätten sich die Berliner in der Tat kaum ausmalen können. Nach dem verdienten Punkt gegen Bayer Leverkusen am ersten Bundesliga-Samstag startete man nun mit einem Kantersieg ins internationale Geschäft. Nach dem ersten Europapokalspiel seit zwei Jahrzehnten steht Union jetzt schon mit einem Bein in der nächsten Runde.

Ruhnert beweist wieder einmal sein feines Gespür

Es ist natürlich noch viel zu früh zu sagen, dass der Verein im Sommer alles richtig gemacht hat. Doch in manchen Momenten wirkte der Sieg am Donnerstag fast wie eine Werbung für die Arbeit des Kaderplaners Oliver Ruhnert. Nicht zum ersten Mal hatte der Union-Manager in diesem Sommer eine wesentliche Überarbeitung der Truppe vollzogen, mit zwölf Neuzugängen und fast eben so vielen Abgängen.

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Doch auch die schmerzhaftesten Verluste konnte man in Helsinki einigermaßen vergessen. Dass Robert Andrich diese Woche zu Bayer Leverkusen wechselte, hat niemanden in Berlin erfreut. Doch wenn die kolportierten Ablösesummen in dieser Saison auch nur halbwegs stimmen, war dieser Abgang wohl auch nötig, um die etwas teureren Zugänge wie Tymoteusz Puchacz oder Rückkehrer Taiwo Awoniyi zu finanzieren.

Schon nach sieben Minuten zeigten die beiden Spieler am Donnerstag ihren Wert, als sie zur Vorbereitung und Vollziehung des gnadenlos rausgespielten Führungstors kombinierten. Puchacz hat allein mit dieser frühen Szene gezeigt, dass er ein ordentlicher Ersatz für den nach Frankfurt abgewanderten Christopher Lenz sein kann.

Für Awoniyi, dem vor der Pause auch noch ein Assist und ein weiterer Treffer gelangen, ging der Abend wie im Rausch weiter. Der vom FC Liverpool zurückgeholte Nigerianer fühlt sich offenbar pudelwohl bei Union, und schon jetzt verdichten sich die Zeichen, dass er in dieser Saison noch besser werden könnte als in der letzten. „Das war ein gutes Spiel für die gesamte Mannschaft, aber auch für mich mit meinem Assist und meinen Toren“, sagte der Stürmer.

Trotz des Kantersieges noch Stellschrauben

Dabei lief beim Traumstart auch nicht alles perfekt. Schon kurz nach der Pause zeigte sich Trainer Urs Fischer an der Seitenlinie etwas genervt, und im Laufe der zweiten Halbzeit war mitunter zu sehen, dass diese relativ neu zusammengewürfelte Mannschaft immer noch das eine oder andere Abstimmungsproblem hat. Doch im Prinzip war die gewohnte Fischer-Ordnung effektiv. „Wir haben es gut weg verteidigt und dann noch das vierte Tor gemacht. Es war anstrengend, aber ein sehr gutes Spiel für uns“, sagte Trimmel.

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Wie später auf einem Instagram-Post von Max Kruse zu sehen war, belohnten sich einige Spieler nachher mit einem Burger im Hotelzimmer. Gleichzeitig warnte der Kapitän mit Blick auf das Rückspiel am Donnerstag im Berliner Olympiastadion vor Selbstgefälligkeit. „Sie haben einen gelbgesperrten, wichtigen Spieler, der zurückkommt. Sie werden alles nach vorne werfen, alles riskieren“, sagte Trimmel. Mit einem 4:0 im Rücken müsste sich Union aber wirklich blamieren, um den Einzug in die Gruppenphase am nächsten Donnerstag zu verpassen. Die Euphorie sollte also mindestens eine Woche noch anhalten.