Erinnerung an Tina Turner: Sie war die Königin der Comebacks
Ihr Leben, schrieb Tina Turner in ihrer Autobiografie „My Love Story“, trage durchaus „dantesche“ Züge. Sie meinte Dantes „Göttliche Komödie“, die vom steinigen Weg durchs Fegefeuer in den Himmel erzählt. Die Sängerin, Kind einer Baumwollfarmerfamilie aus dem 300-Seelen-Nest Nutbush in Tennessee, ist mit der Erfahrung von Armut und Gewalt groß geworden.
Ihre Karriere bestand, zugespitzt formuliert, aus lauter Comebacks. Turner ist oft gefallen, aber immer wieder aufgestanden. Ihr erster Ehemann Ike Turner, an dessen Seite sie zum Soulstar aufstieg, war gewalttätig. Sie sprach von Gehirnwäsche und Folter. 1976 ist sie ihm buchstäblich aus einem Hotel davongelaufen.
Für die Freiheit verzichtet sie auf ihre Tantiemen. Sie tingelt durch kleine Clubs, bis sie mithilfe eines neuen Managers einen Plattenvertrag bei einem großen Label bekommt. Mit dem Album „Private Dancer“ kehrt sie 1984 triumphal in die Hitparaden zurück. Ihr Traum, wie die Rolling Stones Stadien zu füllen, geht in Erfüllung.
Später veröffentlicht Tina Turner viele Best-of-Platten, verkündet 1992 zum ersten Mal ihren Abschied von der Bühne. Um dann doch wieder auf Tour zu gehen. Ihre Shows sind große nostalgische Inszenierungen, getragen mehr von ihren Synthiepop-Hits aus den Achtzigern als dem „Nutbush City Limits“-Enthusiasmus ihres Souls aus den Sixties. Ironie ist auch mit im Spiel.
Bei einem Konzert in der Mehrzweckhalle am Berliner Ostbahnhof singt sie 2009 ihren Song „Steamy Windows“, der von Sex im Auto handelt, von einem steil aufragenden Stahlgerüst herab. Wenn sie sich bei ihren Tänzerinnen einreiht, sieht es aus, als ob sie Unterricht erteile.
Aus „What’s Love Got to do with it“ macht sie eine feministische Hymne, indem sie sich im Refrain von tausenden Zuschauerinnen begleiten lässt. „Ich brauche ein bisschen weibliche Unterstützung“, hatte sie gerufen. Die Sangeskunst der Männer im Saal gefällt ihr weniger. Und als sie „We Don’t Need Another Hero“ aus dem „Mad Max 3“-Soundtrack darbietet, zeigt sie sich noch einmal mit blonder Perücke, Stirnband und Kettenhemd mit extrabreiten Schulterpolstern wie im Film. Die Zukunft, wie man sie sich 1985 vorstellte. Wow!
Unter den Besuchern waren übrigens viele Osteuropäer, aber kaum Schwarze. Mit Funk und Soul hatten Tina Turners spätere Erfolge nicht mehr viel zu tun.