Umstrittene Antidiskriminierungs-Klausel: Reaktionen aus der Berliner Kulturszene

Die Bekanntgabe von Kultursenator Joe Chialo (CDU), die umstrittene Antidiskriminierungsklausel der Berliner Kulturförderung werde vorerst nicht zur Anwendung kommen, wurde von weiten Teilen der Berliner Kulturszene begrüßt.

Auf Anfrage des Tagesspiegels betonten zahlreiche führende Berliner Kulturschaffende, so auch Jens Hillje und Andrea Niederbuchner, Künstlerische Leitung der Sophiensäle, wie wichtig für sie die Bekämpfung von Antisemitismus und alle Formen der Menschenfeindlichkeit sei. Die Antidiskriminierungsklausel sei jedoch nicht der richtige Weg.

Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles zeigte sich gelassener und verwies auf einen seit zwei Jahren bestehenden hausinternen Verhaltenskodex. Er habe, so Reese, als Theaterleiter die volle Verantwortung für das Programm. Er habe so auch kein Problem damit, sich auch öffentlich klar zu positionieren und die Haltung nach außen hin zu dokumentieren. Entscheidend sei für ihn, dass die rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Vorstoßes stimmten und die Freiheit der Kunst nicht tangiert werde.

Besorgt äußerten sich einige jüdische Künstler und Künstlerinnen, so beispielsweise der jüdische Rapper Ben Salomo. In seinen Augen haben sich die Antisemiten und „ihre Steigbügelhalter von der BDS-Bewegung einmal mehr im deutschen Kulturbetrieb durchsetzen können“.

Die Initiative „Arts & Culture Alliance Berlin“, die auch während der Tagung des Kulturausschusses demonstriert hatte, formulierte ebenfalls Bedenken. Eine wie immer modifizierte Klausel tragezur Marginalisierung von palästinensischen, arabischen, muslimischen, jüdischen und anderen Künstler*innen bei, die sich gegen die Kriegsverbrechen Israels aussprächen. Zudem gefährde sie die Finanzierung von Institutionen, die diese Künstler*innen in ihren Programmen repräsentieren. 

Silvia Fehrmann, Leiterin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, begrüßte die Dialogfähigkeit und Haltung von Kultursenator Chialo. Man brauche nun, so Fehrmann, einen zivilgesellschaftlichen Prozess, den Künstler und Institutionen mitgestalten. Darin liege die Chance für ein Berliner Modell.

Wegen juristischer Bedenken hatte der Kultursenator die Antidiskriminierungsklausel bei Fördermitteln nach nur rund einem Monat am Montag aufgehoben. Mittels der Klausel sollten Empfänger von öffentlichen Fördergeldern unter anderem zum Bekenntnis gegen Antisemitismus verpflichtet werden. Grundlage dafür sollten eine Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und ihre durch die Bundesregierung ergänzte Erweiterung sein.

Kulturschaffende hatten in einem offenen Brief unter anderem die Wahl dieser Definition kritisiert. In Folge von international kursierenden offenen Briefen und Boykottaufrufen, wie „Strike Germany“, aber auch einer damit einhergehenden Verunsicherung, haben unmittelbar anstehende Berliner Festivals, wie die CTM, mit Absagen zahlreicher Künstler zu kämpfen.

Nun will Chialo in einem partizipativen Dialogprozess die Regelung überarbeiten und sich dafür mit den anderen Parteien, mit anderen Behörden wie denen für Bildung und Wissenschaft sowie mit Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen der Stadt beraten. Am Ende soll eine rechtssichere Grundlage geschaffen sein, mit dem Ziel, den Kampf gegen Antisemitismus als Staatsziel in der Berliner Verfassung zu verankern, wie auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner betonte.