Semperoper Dresden: Die lyrische Schönheit des Richard Strauss’

Nicht jede Absage trifft ein Opernhaus so bitter. Ein Höhepunkt der Spielzeit hätten die von Christian Thielemann wiedereingeführten „Richard Strauss Tage“ ursprünglich werden sollen, die in der Semperoper seit 1909 in unregelmäßigen Abständen stattfinden – zum bisher letzten Mal 2007. Nebeneinander wollte er die stilistisch verwandten Opern „Rosenkavalier“ und „Arabella“, beide in Dresden uraufgeführt, präsentieren. Und damit den Faden seiner glanzvollen Musiktheaterarbeit bei den Osterfestspielen Salzburg wieder aufnehmen, wo er und die Sächsische Staatskapelle Dresden nach zehnjähriger Residenz ausgebootet wurden.

Christian Thielemann wurde ausgebootet

Aber dann verausgabte sich Thielemann in den vergangenen Monaten im Zuge mehrerer „Ring“-Aufführungen in Berlin und Dresden sowie Tourneen mit der Berliner Staatskapelle und den Wiener Philharmonikern. Nun braucht der Maestro, gesundheitlich angeschlagen, eine Pause. In Dresden hatte man ihm zum Ende der Spielzeit bereits den Stuhl vor die Tür gestellt, obwohl er die Sächsische Staatskapelle auf ihren Zenit geführt hatte.

Die Rechnung serviert nun das Publikum. Zu den ersten Vorstellungen der Strauss-Tage bleibt die Semperoper halb leer. Und der Intendant des Hauses, Peter Theiler lässt sich gar nicht erst blicken, was Bände spricht über die tiefen Gräben zwischen ihm und dem Generalmusikdirektor. Schon seit geraumer Zeit verständigen sie sich nur noch über das Nötigste.  

Eine Szene aus "Arabella" unter Leitung von David Afkham.
Eine Szene aus “Arabella” unter Leitung von David Afkham.
© Klaus Gigga

Einzig Cornelius Meister, der in Dresden schon immer mal den „Rosenkavalier“ dirigieren wollte, freut sich auf die Eröffnung, überzeugt dann aber nur bedingt. Klanglich glücken ihm schöne Strecken, im verträumten Ausklang des ersten Akts und im Terzett des dritten aber wackelt es gefährlich zwischen Bühne und Graben. Und auch Hörner und Trompeten liefern in Abwesenheit ihres Chefdirigenten nicht ihre Bestleistungen ab.  

Als schöne Alternative erweisen sich die Inszenierungen des radikalen Regietheaters Müden. Mit ihrem warm timbrierten, schlank geführten Sopran behauptet sich Camilla Nylund immer noch als First Lady unter den aktuellen Marschallinnen. An ihrer Seite steht als Octavian mit Sophie Koch eine weitere prominente Sängerdarstellerin in ihrer Paraderolle, gesegnet mit einem Mezzo von großer Sinnlichkeit. Peter Rose nahm in der Rolle des gefoppten Baron Ochs als begnadeter Komödiant für sich ein.

Neben den üblichen Verdächtigen lässt sich mit Nikola Hillebrand zudem eine noch junge Sopranistin am Beginn einer vielversprechenden Karriere entdecken. Die denkbar schönsten Silbertöne bringt sie als Sophie ein. Und von der zu einem Dasein in Männerkleidern gezwungenen Zdenka in der „Arabella“ entwirft sie ein fulminantes Rollenporträt.  

Bis in kleinste Nebenrolle prominent besetzt

Auch Jacquelyn Wagner, die für Hanna-Elisabeth Müller als Arabella einsprang, hat sich sagenhaft entwickelt. Ohne Einbußen in der lyrischen Schönheit besitzt ihr Sopran nun viel größere Strahlkraft als noch vor einem Jahr im Salzburger „Lohengrin“. Die beiden Frauenstimmen harmonieren vorzüglich miteinander, der Aufführung beschert ihr herrliches Duett einen Höhepunkt.

Anders als in der jüngsten „Arabella“ an der Deutschen Oper tanzen die Schwestern allerdings nicht durch die Jahrhunderte. Florentine Klepper setzt vielmehr auf schlichte Vornehmheit, wobei ihre Inszenierung keineswegs so statisch anmutet, wie es ihr nach der Premiere 2014 angelastet wurde. Bei alledem empfiehlt sich Pavol Breslik mit seiner kräftigen, geschmeidigen Stimme als idealer Interpret für die von Strauss etwas stiefmütterlich bedachten Tenorpartien. 

Groß in Form zeigen sich in der bis in kleinste Nebenrollen prominent besetzten Produktion auch Bo Skovhus, der mit seinem profunden Bariton den von Arabella favorisierten Mandryka gibt, und Kurt Rydl, dem der verarmte Graf Waldner als Wiener Urgestein wie auf den Leib geschrieben scheint.

David Afkham führt ohne Taktstock mit sicherer Hand durch die Partitur des Werkes, wird auch souverän mit dem schlagtechnisch schwierigen Vorspiel im dritten Akt fertig. Den magischen leisen Momenten gibt er gebührend Raum, aber ohne die sublimen klanglichen Finessen, die derzeit außer Thielemann kein anderer Dirigent aufbieten kann. Mithin hat Dresden die Chance verspielt, im Ranking der Osterfestspiele die Nummer eins zu sein.

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