Proteste vor und in der Halle – Schweiz gewinnt: Die wichtigsten und lustigsten Momente des Eurovision Song Contest
Nemo aus der Schweiz hat den umstrittensten Eurovision Song Contest in der Geschichte des Wettbewerbs gewonnen. Nemo, inzwischen in Berlin zu Hause, bekam von den internationalen Jurys die meisten und auch vom Publikum viele Punkte.
Der ESC kommt damit im nächsten Jahr erstmals seit 1989 wieder in die Schweiz, wo 1956 alles begann. Nemo ist die erste offen non-binäre Person, die den Wettbewerb gewinnt.
Um Platz 2 duellierten sich nach dem Jury-Ergebnis Frankreich (218) und Kroatien (210). Der französische Sänger Slimane erreichte am Ende Platz 4, der Kroate Baby Lasagna Platz 2.
Dank vieler Stimmen der weltweiten Zuschauer kamen auch Israel und die Ukraine weit nach vorne. Die Ukraine sogar noch auf Platz 3.
Deutschlands Kandidat Isaak schaffte mit Rang 12 das beste Ergebnis seit Langem. Gastgeber Schweden landete am Ende auf Platz 9. Den letzten Platz, auf dem Deutschland zuletzt verblieben war, belegte in Malmö der norwegische Beitrag (16 Punkte).
Wahrscheinlich nie zuvor war ein Eurovision Song Contest so politisch aufgeladen wie in diesem Jahr. Die Teilnahme Israels sorgte aufgrund des Gaza-Krieges und der zivilen Opfer für Boykottforderungen, Petitionen und Demonstrationen.
Noch kurz vor dem Beginn am Samstagabend blockierten Demonstranten die Arena in Malmö. Unter ihnen war auch Aktivistin Greta Thunberg, die schon am Donnerstag an einer Demonstration mit mehr als 10.000 Menschen teilgenommen hatte. Am Samstag nun wurde Thunberg, wie auch andere Demonstranten, von der Polizei weggetragen.
Was sonst noch geschah:
Der größte Skandal
Den lieferte in diesem Jahr der niederländische Teilnehmer Joost Klein. Eigentlich war er mit seinem Song „Europapa“ als Geheimfavorit gehandelt worden, polizeiliche Ermittlungen wegen eines Vorfalls hinter den Kulissen führten aber wenige Stunden vor dem Finale zu seiner Disqualifizierung. So etwas hat es beim ESC noch nie gegeben.
Bei der Verkündung der niederländischen Punkte gab es lautstarke Buh-Rufe in der Halle, offensichtlich gegen die Entscheidung der EBU, das Land aus dem Wettbewerb zu nehmen.
Seltsame Texte
Der ESC ist eine wahre Fundgrube für zweifelhafte Lyrics. Kleine Kostprobe? Die estnischen Kandidaten von 5miinust und Puuluup halten es offenbar für nötig, direkt mal eines klarzustellen: „Wir sind keine Drogenabhängigen“. Außerdem berichten sie: „Die Kleider an unserem Leib sind ein Müllfund“. Sie kamen auf Platz 20.
Ihr geografischer Nachbar Silvester Belt aus Litauen hat auch so seine Probleme: „Ich möchte nicht mehr tanzen, aber ich muss tanzen“. Und die Italienerin Angelina Mango hat eine Empfehlung für alle zu Hause: „Hören Sie jetzt auf, das Geschirr zu spülen“.
Hot, hot, hot
Knappe Outfits, laszive Tänze – auch das gehört zum ESC. Beim Spiel mit erotischen – oder besser homoerotischen – Fantasien stachen aber zwei Beiträge heraus. Olly Alexander aus Großbritannien wälzte sich mit vier halbnackten und übel zugerichteten Boxern durch eine Mannschaftsdusche. Das gab vom Publikum erstaunliche 0 Punkte. Das hatte man sich anders vorgestellt.
Spanien schließlich baute auf der Bühne sein eigenes kleines Bordell auf, dominiert von Sängerin María Bas, die voller Stolz sang, sie sei eine „Zorra“, also „Schlampe“. Begleitet wurde sie von zwei ihr untergebenen Männern in Lack und Leder. Für manchen spanischen Priester eine Zumutung – offenbar auch für viele Zuschauer. Spanien landete auf Platz 22.
Der merkwürdigste Auftritt
Den lieferte diesmal nicht einer der Kandidaten ab, sondern Vorjahressiegerin Loreen, die als Pausenact auftrat. Wer kam denn auf die Idee, die arme Frau an einen Barhocker zu schnüren? Ihr Tanz sollte wohl geheimnisvoll wirken. Loreen sah aber mehr aus wie ein wehrloser, auf dem Rücken liegender Käfer. Wie gut, dass es für sie diesmal nicht um Punkte ging.
Der lustigste Auftritt
Windows95man („No Rules!“) aus Finnland – viele große Events haben einen „Flitzer“, der nackt durchs Bild läuft. Hier steht er mal auf der Bühne. Ohne Unterhose, wie man glaubt. Dank geschickter Kameraführung erkennt man erst spät: Ein bisschen was hat er doch an. Die Synthesizer-Musik ist da fast schon egal. Der Platz im hinteren Drittel auch.
Publikumsliebling
Moderatorin Petra Mende durfte schon zum dritten Mal durch den ESC führen – und man weiß, warum: Witz, Esprit und Spontanität. „Ich habe es alleine versucht, ich habe es mit einem Mann versucht und nun versuche ich es mit einer Frau. Aber genug von meinem Sexleben.“ Dafür gab es vom Hallenpublikum immer wieder „Petra, Petra“-Rufe.
Das deutsche Ergebnis
Zwei Dinge kann man Isaak ganz sicher nicht absprechen: Eine herausragende Stimme und großen Einsatz. Beides hat er auch am Samstag in Malmö bewiesen. Bei den internationalen Jurys kam das an – aus vielen Ecken Europas gab es Punkte (99). Vom Publikum gab es noch sparsame 18 dazu.
Am Ende erreichte der Ostwestfale Platz 12, das hatten viele Experten und die Buchmacher schlechter erwartet. Endlich mal wieder Durchatmen bei der deutschen Delegation.
Der größte Trend
Der Sieger des Vorjahres prägt den Trend des neuen Wettbewerbs – so ist es oft und ein bisschen so war es auch diesmal. Der ESC war weiblich wie selten zuvor. 15 von 25 teilnehmenden Ländern traten mit einer oder mehreren Lead-Sängerinnen an. Wie zum Beispiel die Ukraine mit ihrem starken Duo alyona alyona & Jerry Heil, für die es Rang 3 gab.
Größter Mitgröl-Moment
Wer hätte gedacht, dass beim ESC eine ganze Halle begeistert „Schlampe“ ruft? Spanien machts möglich. Das „Zorra“ von Nebulossa ist als Befreiung von männlicher Unterdrückung gemeint. Und so könnte es beim ESC noch lange nachhallen.
Emotionalster Moment
Als der französische Sänger Slimane sich einige Schritte vom Mikrofon entfernt und einige Zeilen seiner Ballade a-cappella singt, ist es plötzlich ganz still in der Arena. Ein echtes ESC-Highlight. Am Ende war es für ihn Platz 4.
Das größte Comeback
31 Jahre hat Luxemburg geschmollt, nun war das Land wieder dabei. Und wenn man an frühere Vertreterinnen wie France Gall, Nana Mouskouri oder Vicky Leandros denkt, kann das nur ein Gewinn sein. Dem schweren Erbe konnte die junge Tali durchaus gerecht werden. Sie holte Platz 13.
Und was war jetzt mit ABBA?
50 Jahre nach ihrem ESC-Sieg 1974 wieder ein Song Contest in Schweden – kein Wunder, dass viel über ein mögliches einmaliges Comeback der Jahrhundertband spekuliert wurde. Dazu kam es aber am Samstag nicht, jedenfalls nicht so ganz.
Immerhin per Video wurde nach London geschaltet, wo es seit einigen Jahren eine animierte Abba-Show gibt. Die sogenannten Abbatare schwelgten etwas in Erinnerungen. Auf der ESC-Bühne präsentierten dann Carola (Siegerin 1991), Charlotte Perrelli (Siegerin 1999) und Conchita Wurst (Siegerin 2014) ABBAs Siegertitel „Waterloo“.